Deutschland hat Defizite beim Antidiskriminierungsgesetz

Vladimír Špidla

Die EU-Kommission hat heute Deutschland und Portugal aufgefordert, die EU‑Vorschriften zum Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Beschäftigung und Beruf vollständig umzusetzen. In der an Deutschland gerichteten mit Gründen versehenen Stellungnahme wird eine Abweichung von der Richtlinie beanstandet. Die Kommission ist der Auffassung, dass die nationalen Rechtsvorschriften nicht das in der Richtlinie geforderte Schutzniveau gewährleisten, da sie die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei Kündigungen nicht wie in der Richtlinie gefordert verbieten.

Vladimír Špidla, EU‑Kommissar für Chancengleichheit, sagte: „Die fragliche Richtlinie ist unerlässlich für die Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, die eine wichtige Zielsetzung der Europäischen Union ist. Die Richtlinie wurde von den Mitgliedstaaten einvernehmlich beschlossen und im Jahr 2002 angenommen. EU-Richtlinien können ihr volles Potenzial jedoch nur entfalten, wenn sie vollständig und ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt werden. Ich freue mich, dass Österreich, Finnland und Malta ihre nationalen Rechtsvorschriften aufgrund der rechtlichen Maßnahmen der Kommission an die EU‑Vorschriften angepasst haben. Wir werden unseren konstruktiven Dialog mit Deutschland und Portugal fortsetzen, um auch hier eine vollständige Umsetzung der Richtlinie zu erreichen.“

Der jetzigen Aufforderung der EU-Kommission an Deutschland war bereits im Januar 2009 eine förmliche Aufforderung der Kommission vorausgegangen, die die erste Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens darstellt. Die
Bundesregierung hatte danach zwei Monate Zeit für eine Antwort, die ungenutzt verstrichen sind.
Problematisch erscheint vor allem, dass die Umsetzung ins deutsche Recht keine Regelungen für Entlassungen vorsehen, obwohl die Richtlinie diese vorschreibt. Ziel der EU-Richtlinie war es aber vor allem, das Antidiskriminierungsrecht auch auf Kündigungssachverhalte auszudehnen. Das deutsche Recht schützt nach Auffassung der EU-Kommission beispielsweise Menschen mit Behinderungen nur
unzureichend. Die Frist von zwei Monaten für eine Beschwerde gegen eine Kündigung wird als zu kurz angesehen. Neben Deutschland wurden zehn weitere Mitgliedsstaaten von der EU zur Stellungnahme aufgefordert."

Im Fall von Portugal betrifft die mit Gründen versehene Stellungnahme drei Bereiche, die gegen die Richtlinie verstoßen: Den Geltungsbereich (die nationalen Rechtsvorschriften gelten nicht für Beamte), das Recht von Verbänden, sich entweder im Namen des Beschwerdeführers oder zu dessen Unterstützung an Gerichtsverfahren zu beteiligen, sowie die Kompetenzen der nationalen Gleichbehandlungsstelle. Die Kommission hat ferner beschlossen, die drei wegen unvollständiger Umsetzung der Richtlinie gegen Österreich, Finnland und Malta eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren einzustellen.