„CDU/CSU und FDP zeichnen in ihrem Koalitionsvertrag ein konservativ-marktliberales Bild der Europapolitik. Das Soziale Europa wird von Schwarz-Gelb mit dem Verweis auf die nationalstaatlichen Zuständigkeiten abgetan. Die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Ablehnung grenzüberschreitender EU-Sozialsysteme ist purer Populismus, da eine Vereinheitlichung der sozialen Sicherungssysteme weder heute noch morgen auf der Tagesordnung steht. Eine solche Vereinheitlichung ist von niemandem gewollt und auch nicht sinnvoll. Was wir aber dringend brauchen, ist ein europäischer Rahmen für soziale Mindeststandards und für den Schutz der Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Wir brauchen eine Sozialverträglichkeitsprüfung bei allen europäischen Rechtssetzungsprozessen. Hohe deutsche Standards werden nicht durch europäische Sozialpolitik gefährdet, wie es die Koalition behauptet, sondern beispielsweise durch Lohndumping und den Unterbietungswettlauf bei den Unternehmenssteuern. Im Mittelpunkt stehen bei dieser Koalition der freie Wettbewerb und der Binnenmarkt. Von einer sozialeren Union ist an keiner Stelle die Rede. Hier merkt man sehr eindeutig wes Geistes Kind diese Koalition ist. Im Zusammenhang mit dem angeblich so hohen deutschen Sozialstandards sei an dieser Stelle auch nochmals daran erinnert, dass Deutschland eines der ganz wenigen Mitgliedstaaten ist, in denen es keinen flächendeckenden Mindestlohn gibt“, so die SPD-Europaabgeordnete Petra Kammerevert.
„In der EU-Erweiterungspolitik finden CDU, CSU und FDP keinen gemeinsamen Nenner. Deutlich wird hier die Ambivalenz der Koalitionäre. Zu Kroatien und den anderen Staaten des westlichen Balkans findet sich in dem Koalitionsvertrag kein einziges Wort, obwohl deren Beitrittswunsch ein zentrales Thema der kommenden Jahre sein wird“, so Kammerevert, Mitglied der Delegation im Gemischten Parlamentarischen Ausschuss EU-Kroatien. „Der Verweis auf die strikte Einhaltung der Beitrittskriterien und die Aufnahmefähigkeit der EU reichen bei weitem nicht aus, um den anstehenden Fragen einer weiteren Erweiterung der EU gerecht zu werden. Hier drückt sich die Koalition um eine klare Aussage herum und entzieht sich damit ihrer Verantwortung“ sagt Petra Kammerevert.
„Die Benennung Günther Oettingers zum EU-Kommissar ist zudem ein völlig falsches Signal aus Deutschland an Europa. Oettinger ist europapolitisch ein unbeschriebenes Blatt. Seine Äußerungen, er verstehe sich in Brüssel als Vertreter Deutschlands und der heimischen Industrie, gepaart mit seiner umstrittenen Trauerrede auf Hans Filbinger und mit seiner früheren Mitgliedschaft im rechtsgerichtetem und europaskeptischem Studienzentrum Weikersheim, sind keine gute Bewerbung für dieses wichtige europäische Amt. Kommissare haben eindeutig nicht die Aufgabe, nationale Interessen in Brüssel zu vertreten, sondern sie sind vielmehr verpflichtet, ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit zum allgemeinen Wohl der EU auszuüben. Sie dürfen Anweisungen von ihrer Regierung oder einer anderen Stelle weder anfordern noch entgegennehmen. So steht es sowohl im noch gültigen Vertrag von Nizza wie auch im neuen Vertrag von Lissabon geschrieben“, stellt die SPD-Europaabgeordnete Kammerevert klar.
Petra Kammerevert machte mit Blick auf die anstehenden Anhörungen der designierten EU-Kommissare im Europäischen Parlament deutlich, Herr Oettinger müsse sich hierbei wohl einige kritische Fragen zu seinem Verständnis der Arbeit eines Kommissars gefallen lassen und vor allen glaubhaft darstellen, dass er mit den Positionen und Vorstellungen des Studienzentrums Weikersheim gebrochen hat. Falls Oettinger keine eindeutige Antwort geben sollte, könne sie sich eine Zustimmung ihrer Fraktion zur Ernennung von Herrn Öttinger kaum vorstellen.