„Jetzt Ungarn, Europa auf die Probe gestellt“

Petra KAMMEREVERT beim 37. Akademiegespräch der Akademie der Künste in Berlin

Am Tag, als das umstrittene ungarische Mediengesetz in Kraft trat, war auf der Titelseite der linksliberalen Zeitung "Népszabadság" in 24 Sprachen der EU zu lesen: "In Ungarn wurde die Pressefreiheit aufgehoben".

Zu diesem Thema hatte die Akademie der Künste zum 37. Akademie-Gespräch eingeladen. Unter der Moderation der Journalistin Liane von Billerbeck diskutierten Petra KAMMEREVERT, SPD-Europaabgeordnete, Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste, Elmar Brok, CDU/EVP-Europaabgeordneter und die beiden ungarischen Schriftsteller György Dalos und György Konrád die aktuelle Situation in Ungarn.

Ende vergangenen Jahres hat das ungarische Parlament mit der Mehrheit rechtskonservativer Abgeordneter ein Mediengesetz beschlossen, welches die Presse- und Meinungsfreiheit in einer Weise beschneidet, dass die Frage im Raum steht, ob dies mit den europäischen Grundrechten und -werten vereinbar ist.

Ungarische Schriftsteller, Journalisten und Medienschaffende haben dagegen protestiert: »Das Gesetz verletzt grob das in internationalen Verträgen festgehaltene Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Unter Verwendung von Steuergeldern schafft es institutionelle Möglichkeiten, die Presse ständig zu beobachten und einzuschüchtern.« Es widersetze sich mit allen Mitteln den Grundprinzipien der Demokratie und dem Geist der Freiheit.

Zwar hat die ungarische Regierung nach anhaltenden Protesten aus Europa Änderungen am Gesetz angekündigt, sofern die EU-Kommission diese für notwendig halte, dies reicht aber nach Ansicht von Petra KAMMEREVERT nicht aus. In der Akademie der Künste machte sie deutlich, dass sie es für notwendig hält, ein völlig neues Gesetz zu schreiben, das mit allen gesellschaftlichen Kräften, mit Journalisten und Medienschaffenden in einem intensiven Diskussionsprozess erarbeitet wird und dann von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen wird. Und weiter: "Die Presse- und Meinungsfreiheit ist das Rückgrat einer jeden Demokratie und das jetzige Gesetz ist dabei, dieses zu brechen. Wer einen Medienrat schafft, der ausschließlich mit regierungsnahen Parteimitgliedern besetzt ist, die dann über die Ausgewogenheit jeder Zeitung, jeder Fernseh- oder Hörfunksendung und jedes Internetblogs entscheiden soll, will keine Pressefreiheit, sondern Kontrolle und wohlfeile Berichterstattung." Wenn die EU glaubwürdig bleiben will, muss sie gegen dieses Gesetz konsequent vorgehen. Hier ist vor allem die EU-Kommission gefordert, als Hüterin der Verträge die Einhaltung der Grundrechtecharta einzufordern.

Das ungarische Beispiel sei jedoch leider kein Einzelfall mahnt Petra KAMMEREVERT. In sehr unterschiedlichen Ausprägungen gibt es in verschiedenen europäischen Mitgliedsländern immer wieder Versuche der politischen Einflussnahme, sei es in Italien, wo wie in keinem anderen Land die politische, ökonomische und publizistische Macht in den Händen eines Mannes liegt, oder auch in Frankreich und Deutschland, wo politische Kräfte versuchen Einfluss auf die Besetzung von wichtigen Positionen in den öffentlich-rechtlichen Medien zu nehmen. Als Beispiel sei der "Fall Brender" genannt. Einzigartig sei in Ungarn allerdings, dass die politische Einflussnahme gesetzlich verankert wurde.

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