
Welchen Eindruck hatten Sie vom Kunstmuseum Baden nach Ihrem Besuch in der vergangenen Woche?
Petra KAMMEREVERT: Ich war tief beeindruckt, vor allem von der Schwerpunktsetzung. Es ist den Verantwortlichen hervorragend gelungen zu zeigen, dass Verfolgung kein Phänomen der Vergangenheit ist, sondern sich fortsetzt. Ich würde mir sehr wünschen, dass das Kunstmuseum zu einem „Deutschen Zentrum für verfolgte Künste“ wird. Meine SPD-Kollegen im Bundestag engagieren sich sehr für diese Initiative (Anm. d. Redaktion: der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat dazu eine Expertise erstellt). Ein solches Signet wäre auch für Sponsoren ein Anstoß, sich stärker zu engagieren. Dem Museum würde das einen kräftigen Schub geben.
Könnte es auch europäische Hilfen geben?
Petra KAMMEREVERT: Der Kulturetat der EU ist nicht besonders groß. Für eine Förderung müsste die europäische Dimension des Zentrums noch stärker ausgebaut werden. Außerdem bräuchte man Kooperationspartner aus anderen EU-Ländern. Ich halte das nicht für unmöglich, aber man darf ein solches Museum auch nicht überfordern. Deshalb wäre das für mich eher eine längerfristige Perspektive.
Wie werden Sie das Thema weiterverfolgen?
Petra KAMMEREVERT: Ich werde versuchen, unterstützend zu wirken. Am Freitag habe ich bereits mit dem kulturpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion darüber gesprochen. Man muss überlegen, wie man das Zentrum weiter ausbauen kann: Verfolgte Filmkunst eventuell in das Zentrum einzubringen, halte ich für eine hervorragende Idee.
Als Europaabgeordnete sind Sie für sechs Städte und zwei Landkreise zuständig: Wie bekommen Sie mit, was in den einzelnen Städten Ihres Wahlkreises gerade aktuell ist?
Petra KAMMEREVERT: Ich bin für 2,6 Millionen Menschen zuständig – soviel wie manche EU-Staaten Einwohner haben. Da ist das natürlich nicht ganz einfach. Mein Büro steht in ständigem Kontakt mit der SPD vor Ort. Ich bemühe mich, Veranstaltungen vor Ort zu besuchen. Da kommt man schon mit Menschen in Kontakt. Sehr wichtig sind mir auch die Besuchergruppen, die mich in Brüssel oder Straßburg besuchen. 2010 waren das über 700 Menschen, darunter viele Schulklassen. Zuletzt waren Ehrenamtler aus Düsseldorfer Sportvereinen hier.
Was können Sie in Brüssel für die Solinger erreichen?
Petra KAMMEREVERT: Meine Themengebiete sind sehr praxisnah – ich sitze im Ausschuss für Kultur und Bildung des Europäischen Parlaments. Ein Beispiel: Funkfrequenzen, die im Zuge der Digitalisierung freigeworden sind, wurden neu vergeben. Bisherige Frequenzen müssen geräumt werden. Vor Ort betrifft das unter anderem die Theater, die deshalb neue Funkgeräte anschaffen müssen. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass es für diese Umstellung eine finanzielle Kompensation geben sollte. Das ist leider nicht ganz gelungen. Aber zumindest können die Mitgliedsstaaten nun eine solche Entschädigung vorsehen.
„Eine Rückkehr zur D-Mark würde nicht helfen.“
Sie engagieren sich auch im Verkehrsausschuss. Beim Tourismus hinkt das bergische Städtedreieck hinterher. Wie kann sich die Region weiterentwickeln?
Petra KAMMEREVERT: Das bergische Städtedreieck hat durchaus touristisches Potenzial. Die Städte sollten sich aber noch stärker zusammenschließen und die Region als Ganzes vermarkten. Ich halte es für erfolgversprechend, das Bergische Land als Markenzeichen zu etablieren.
Angesichts der Schuldenkrise und der Milliardenhilfen für andere EU-Staaten beschleicht viele Bürger Unbehagen, wenn nicht gar Angst. Sie auch?
Petra KAMMEREVERT: Glücklich ist niemand mit der Situation. Aber entscheidend ist, dass wir strategisch klug handeln. Die Krise hat gezeigt, dass wir längst eine Transferunion sind. Und wir kommen nur durch ein Mehr an Europa da raus. Ich bin deshalb für eine verstärkte gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik, die aber parlamentarisch kontrolliert werden muss. Das Europäische Parlament sollte deshalb gestärkt werden.
Viele Bürger wünschen sich sogar die D-Mark zurück. Was sagen Sie denen?
Petra KAMMEREVERT: Deutschland kann kein Interesse daran haben, zur D-Mark zurückzukehren. Wir haben derzeit ja keine Krise des Euro, sondern eine Krise der Staatsverschuldung. Als Exportnation haben wir ein Interesse daran, dass andere Staaten aus der Krise kommen, damit sie unsere Waren kaufen können. Eine Rückkehr zur D-Mark würde nicht helfen – im Gegenteil: Die Schweiz ist ein Beispiel dafür, wie es uns ergehen würde. Das Land leidet darunter, dass der Franken so überbewertet ist. Jetzt wird sogar überlegt, die Währung fest an den Euro zu koppeln.
Montag Berlin, Dienstag Brüssel: Wie sieht Ihre Woche aus?
Petra KAMMEREVERT: Am Dienstagabend geht es zurück nach Düsseldorf, am Freitag zu einer Konferenz über europäische Bildungspolitik nach Modena. Am Wochenende bin ich wieder in Düsseldorf. Am Montag fahre ich nach Berlin zur Internationalen Funkausstellung, danach wieder nach Brüssel zur Fraktionswoche. Aber eigentlich geht das noch: Meine Reisen beschränken sich im Wesentlichen auf Deutschland und Brüssel beziehungsweise Straßburg.
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Das Gespräch führte Anja Kriskofski – Auszug mit freundlicher Genehmigung und copyright SOLINGER TAGEBLATT