SPD beschließt europapolitischen Leitantrag
Die SPD will die politische Einigung Europas vorantreiben, um die Handlungsfähigkeit zu stärken. Mit großer Mehrheit beschlossen die Delegierten den Leitantrag des Parteivorstandes. Dazu gehört, wirtschafts- und finanzpolitisch enger zusammenzuarbeiten und mehr demokratische Legitimation. „Entscheidend ist ein klarer Wille und ein Bauplan“, warb Frank-Walter Steinmeier zuvor um Zustimmung.
Um Europa langfristig als erfolgreichen Wirtschafts- und Sozialraum und eine starke politische Kraft in der globalen Welt von heute zu etablieren, macht sich die SPD für eine Europäische Wirtschaftsregierung. Zu einer Währungsunion gehöre eine europaweit abgestimmte Wirtschaftspolitik, heißt es in dem europapolitischen Leitantrag, den der Parteitag am Sonntag beschloss. Eine abgestimmte Wirtschaftspolitik müsse dafür sorgen, dass Europa wirtschaftlich nicht auseinanderdrifte, sondern gemeinsam wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt erreiche.
Steinmeier kritisiert „Haltungslosigkeit“ der Kanzlerin
Grundlage soziademokratischer Europapolitik ist die Überzeugung, dass ein Rückfall in nationalstaatlichen Chauvinismus, den der SPD-Fraktionschef auch bei den Regierungsparteien registriert, den Wohlstand und die Bedeutung in allen Mitgliedstaaten massiv gefährde. „Wir brauchen ein klares Bekenntnis zur europäischen Solidarität. Wir lassen uns von den Märkten nicht auseinandertreiben“, forderte Steinmeier. Scharf kritisierte er das Krisenmanagement der Bundesregierung: „Europa brennt“, und Schwarz-Gelb bleibe eine Antwort schuldig. Die „Haltungslosigkeit“ der Kanzlerin, Merkels Agieren „empört mich aufs tiefste“.
Sieben Schritte beschrieb Steinmeier als Kernpunkte der sozialdemokratischen Antwort in der Europapolitik:
Gemeinsam müssten die Euro-Staaten der Spekulation entgegentreten, den Rettungsschirm stärken und den ESM vorziehen als „Nukleus des europäischen Währungssystem“
Dringend brauche Europa auch ein Aufbauprogramm, Investitionen in die Realwirtschaft – „die Neugeburt einer europäischen Industriepolitik“, wie Steinmeier sagte. Für hochwertige Arbeitsplätze.
Außerdem müsse es eine gemeinsame Anstrengung zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit geben.
Um dies zu finanzieren, fordert die SPD auch „endlich“, so Steinmeier, die Besteuerung der Finanzmärkte. Die vagen Ankündigungen der Bundesregierung reichen dem SPD-Fraktionschef bei weitem nicht: „Wir wollen Taten sehen statt Worte.“ Unverzüglich müssten auch Regeln zur Finanzpolitik verbindlich festgelegt werden: Verschuldungsobergrenzen, Sanktionen bei Verstößen, gemeinsame Anleihen, Kampf gegen Steuerdumping, eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für Unternehmenssteuern. Aufgabe der SPD sei, Ordnung in die Finanzmärkte zu bringen: „Wenn wir das nicht machen, tut es keiner“, mahnte Steinmeier.
Als „Herzstück“ des Konzepts bezeichnete er einen „ernünftigen Umgang mit den Altschulden“ der in Schieflage geratenen Euro-Staaten. Ohne eine Antwort auf die Frage „strangulieren sich die Saaten selbst“, warnte er. Als Vorbild sieht er dafür den „Erblastentilgungsfonds“ nach der Wiederbvereinigung. Einen solchen Vorschlag unterstützen auch die Wirtschaftsweisen. Die Idee: Aufgelaufenen Schulden oberhalb von 60 Prozent der Gesamtverschuldung eines Staates sollen in einen gemeinsamen Fonds gehen mit gemeinschaftlicher Haftung – und mit verbindlichem Tilgungspfad. Dies senkte die Zinsen und eröffnete wieder Wachstumsperspektiven.
Eine Kerngruppe in Europa soll, so Steinmeier, bei der Harmonisierung gemeinsamer Steuer- und Fiskalpolitik vorangehen dürfen – als „Gravitationspunkt“ für eine tiefere Integration.
Gleichzeitig will die SPD das Prinzip der Subsidiarität in Europa wieder stärken. Also die Aufgaben der EU klar daran orientieren, was auf der höheren Ebene besser zu regeln ist – und was eben nicht: „Was wir vor Ort besser machen können, machen wir selbst“, betonte Steinmeier.
Der Sozialdemokratie komme die Aufgabe zu, das Europa des 21. Jahrhunderts zu prägen. Die Krise habe gezeigt, dass konservative Führungen dazu nicht in der Lage seien. „Wir richten uns nicht ein auf Opposition, wir bereiten uns vor auf Verantwortung“, sagte Steinmeier: „Wir sind die deutsche Europapartei.