„Nein“ zu ACTA

© Robert Linder / sxc.hu
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Deutliche Mehrheit in der S&D-Fraktion des Europäischen Parlaments für eine Ablehnung des Abkommens zeichnet sich ab

Hocherfreut zeigte sich Petra KAMMEREVERT nach der Diskussion über ACTA in der Sitzung der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, in der sich eine deutliche Mehrheit für eine Ablehnung des hochumstrittenen ACTA-Abkommens abzeichnete. „Dieses Abkommen muss vom Tisch und ich bin froh, dass die Diskussion in meiner Fraktion sich in die richtige Richtung bewegt. In den nächsten Wochen und Monaten wird es nun darum gehen, sowohl in der eigenen Fraktion wie auch im Parlament insgesamt, all diejenigen, die ACTA nach wie vor für ein probates Mittel zur Bekämpfung der Produktpiraterie und von Urheberrechtsverletzungen halten, davon zu überzeugen, dass ACTA einen Angriff auf fundamentale Grundrechte, wie den Schutz der Privatsphäre, die Meinungs-, Presse-, Informations- und Kommunikationsfreiheit sowie auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedeuten kann.

In der ausführlichen Diskussion in der S&D-Fraktion wurde nicht nur das völlig intransparente Verfahren der Verhandlungen kritisiert, das sowohl unter Ausschluss der Öffentlichkeit als auch unter Ausschluss der Parlamente stattgefunden hat. Auch inhaltlich wurden eine Reihe von Punkten diskutiert, die dieses Abkommen inakzeptabel werden lassen.

Das Abkommen wimmelt nur so von unbestimmten Rechtsbegriffen, die der Interpretation in die eine wie die andere Richtung Tür und Tor öffnen. Die Protokolle und vorbereitenden Dokumente zum Abkommen, die hier Klarheit schaffen könnten sind nach wie vor nicht öffentlich und auch den Abgeordneten nicht uneingeschränkt zugänglich. Trotz der Bekräftigungen, sowohl der Kommission wie auch der deutschen Bundesregierung, dass sich aus ACTA keine Änderungsnotwendigkeit für bestehendes europäisches oder deutsches Recht ableiten ließen, bleiben viele Fragen offen. So findet sich im Abkommen beispielsweise eine nicht näher konkretisierte Aufforderung an die Provider zur „Kooperation“ mit Rechteinhabern. Zwar finden sich keine unmittelbaren Verpflichtungen zur Überwachung von Netzwerken. Netzsperren, Internetzugangssperren oder automatisierte Warnhinweismodelle mit einer flächendeckenden Inhaltefilterung werden im Abkommen selbst nicht genannt. Die Befürchtungen, dass Anbieter mit Hilfe von ACTA genau hierzu gedrängt werden könnten, bestehen jedoch zu Recht. Die Länder verpflichten sich nämlich in Artikel 27 des Abkommens „Kooperationsbemühungen im Wirtschaftsleben zu fördern, die darauf gerichtet sind, Verstöße gegen Marken-, Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte wirksam zu bekämpfen“. Erschwerend kommt hinzu, dass ACTA nicht nur zivilrechtliche Haftungsansprüche sondern auch strafrechtliche Sanktionen vorsieht. Dass diese sich nur auf eindeutig kommerziell ausgerichtete Vergehen gegen das Urheberrecht beziehen, lässt sich aus dem Text nicht ablesen. Am Ende könnte eine Privatisierung der Rechtsdurchsetzung stehen, die vor allem die Provider in die Pflicht nimmt, sich als Hilfssheriffs zu betätigen.

Zwar war man sich in der Fraktion weitgehend darüber einig, dass Produkt- und Markenpiraterie zu bekämpfen sind. Es gehe hierbei nicht nur um gefälschte Prada- oder Gucci-Taschen, sondern auch um gefälschte Medikamente oder Autoersatzteile und somit um Fälschungen, die für die Menschen durchaus gefährliche und unabsehbare Folgen haben können. Aber auch diesbezüglich wurden Zweifel laut, ob ACTA auf Grund der eingeschränkten Anzahl der Unterzeichnerstaaten ein geeignetes Mittel darstellt.

Einig war man sich ebenfalls darin, dass Europa ein modernes Urheberrecht braucht, dass eine vernünftige Balance zwischen den berechtigten Interessen der Urheber und der Nutzer findet und das vor allem den Schutz von Urheberrechten Einzelner nicht zu Ungunsten der Kommunikationsfreiheiten aller Menschen etabliert. Hierbei hilft ACTA jedoch in keiner Weise. Im Gegenteil: Es lässt das Pendel zu Lasten fundamentaler Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger Europas ausschlagen.