Rede von Petra Kammerevert zu Connected TV auf der Konferenz der zypriotischen Ratspräsidentschaft und der Kommission

Connected TV Conference 2012

Panelthema: Connected TV – Wie es sich auf Zuschauer-Gewohnheiten auswirkt.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Was sind die Herausforderungen an die Medienpolitik, die hier angesprochen werden müssen.

Bevor ich auf die Frage eingehe, welche Herausforderungen für die Medienpolitik sich aus der Entwicklung von Connected TV ergeben, möchte ich eine ganz wichtige Prämisse vorwegschicken, die für jede Form der Regulierung von Medien aus meiner festen Überzeugung konstitutiv sein muss: Medien verfügen über einen Doppelcharakter, sie sind Waren, aber sie sind vor allem Kulturgut und als solches haben sie eine besondere gesellschaftspolitische Bedeutung. Die Vielfalt der Medien, die Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit tragen im Wesentlichen zum Funktionieren unserer demokratischen Gesellschaften bei. Sie haben Aufklärungs-, Informations- und Wächterfunktion – und sie sollen und dürfen auch unterhalten. Dies ist der wesentliche Grund, warum bislang viele in Europa und in den Mitgliedstaaten darum gekämpft haben, Medienpolitik nicht allein dem Wettbewerbs- und/oder Wirtschaftsrecht zu unterordnen, sondern auf einer eigenständigen Regulierung bestanden haben, die genau diesem besonderen Charakter und der besonderen gesellschaftlichen Bedeutung Rechnung trägt. Daran wird aus meiner Sicht auch die Konvergenz der Technik nichts ändern.

Connected TV ist ein wichtiger technologischer Schritt auf dem Weg der Medienkonvergenz, der die Qualität besitzt, wichtige bisherige medienregulatorische Entscheidungen in Frage zu stellen. Man hat sich seinerzeit in der Audiovisuellen Mediendienste – Richtlinie dazu entschieden, lineare Dienste einem engmaschigen Regulierungssystem zu unterwerfen, nicht-lineare Dienste jedoch weniger restriktiv zu behandeln. Begründet wurde dies mit einer unterschiedlichen gesellschaftlichen Wirkung der Dienste. In allen EU-Mitgliedstaaten wird zum Beispiel öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern als lineare Angebote neben ihrer massenmedialen Wirkung auch eine gesellschaftspolitische Bedeutung beigemessen, die vielerorts auch gesetzlich verankert ist. Trotz der technologischen Verschmelzung hat sich weder an der Massenattraktivität des Fernsehens noch an seiner gesellschaftspolitischen Bedeutung bisher etwas geändert. Weil man nach wie vor den linearen Medien einen breiteren Wirkungskreis zumisst, müssen sie sich hinsichtlich der Werbung und des Jugendschutzes strengen ordnungspolitischen Vorgaben unterordnen.

Das medienpolitische Ungleichgewicht entsteht dadurch, dass Onlineinhalteanbieter ohne nennenswerten zusätzlichen Aufwand nun den Zuschauer technisch auch über den Fernseher erreichen und dabei aber bislang einer geringeren Regulierung unterliegen. Es liegt auf der Hand, dass befürchtet wird, dass die divergierende Rechtslage ausgenutzt wird und dass es zu Wettbewerbsverzerrungen kommt – und in diesem Fall meine ich das tatsächlich im rein ökonomischen Sinne.

Um von vornherein das Entstehen von solchen Konflikten zu vermeiden um auch Entwicklungen auszuschließen, die politisch nicht erwünscht, aber zu einem späteren Zeitpunkt kaum revidierbar erscheinen, ist es meines Erachtens jetzt an der Zeit Rahmenvorgaben zum Connected TV vor allem durch die Weiterentwicklung der AVMD-Richtlinie zu etablieren.

Diejenigen, denen spezifische Mediengesetzgebungen schon immer ein Dorn im Augen waren, weil man das doch alles über den Markt und das Wettbewerbsrecht regeln kann, mögen Morgenluft wittern, dass jetzt die Chance gekommen ist, spezifisches Medienrecht aufzugeben und damit den angedeuteten Wettbewerbsverzerrungen über unterschiedliche Regelungsdichten Herr zu werden. Dem nachzugeben, wäre unter der oben genannten Prämisse gesellschaftspolitisch fatal. Andere wiederum könnten meinen, jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, das Internet einer starken Medienregulierung zu unterwerfen. Ein ebenso fataler Schritt, der nicht nur übersieht, dass eine Kontrolle von Internetinhalten nicht konsequent umsetzbar ist, sondern – und das wiegt meiner Meinung nach viel schwerer – fundamentale Grundfreiheiten wie das informationelle Selbstbestimmungsrecht und die Kommunikations- und Medienfreiheit gleich mit über den Haufen wirft.

Es wird also ein Mittelweg gesucht werden müssen und dieser sollte vor allem die Zuschauer/innen und Nutzer/innen in den Mittelpunkt des Handelns stellen.

Die technische Konvergenz wird eine medienregulatorische Konvergenz nach sich ziehen. Medienpolitisch wird darauf zu achten sein, dass alle Beteiligten dabei eine Bewegung aufeinander zu vollziehen, und dass dieser Prozess primär dem Interesse des Zuschauers und nicht allein spezifischen Gewinnerzielungsabsichten unterliegt. Die nach wie vor besonders stark rezipierten Fernsehangebote, öffentich-rechtliche wie private, zeichnen sich durch hohe Qualität und ein Vertrauen in die Programme der Veranstalter aus, Fernsehen als solches ist benutzerfreundlich.

Die Entwicklung des Connected TV macht das Gerät flexibel und lässt den Nutzer interaktiv an Angeboten teilhaben! Die Chancen, die in der Entwicklung neuer, Angebote liegen und die für den Zuschauer tatsächlich einen Mehrwert bieten können, scheinen nahezu unbegrenzt. Dazu sollten aber rechtlich Fragen wie die eines offenen Standards, der Interoperabilität der Plattformen und der Angebote, der Netzneutralität, der grundsätzlichen Initialisierung einer Funktion durch den Zuschauer sowie des sachgerechten und angemessenen Daten- und Jugendschutzes sowie einer entsprechenden Werberegulierung jetzt beantwortet werden.

Ebenso notwendig scheint mir zu sein, dass ein "must-be-found" von Inhalten vorzusehen ist – und hier sind speziell die Angebote der linearen Rundfunkveranstalter gemeint.

Ein besonderes Anliegen ist mir außerdem, dass die Integrität der Inhalte gewahrt und auch gesetzlich abgesichert wird. Stichwort ist hier die Möglichkeit der Überblendung mit fremden Inhalten.

Der Zuschauer und die Zuschauerin müssen diejenigen sein, die bestimmen, wann welche Zusatzangebote in einer Fernsehsendung aufpoppen oder nicht. Sie müssen sich weiterhin darauf verlassen können, dass das was auf ihrem Bildschirm möglicherweise doch ungefragt erscheint, von ihrem Fernsehanbieter verantwortet wird und wissen dann auch an wenn sie sich mit Klagen und Sorgen wenden können.

Anderenfalls wird die vielbeschworenen Mündigkeit des Zuschauers keine echte ist, sondern eher eine virtuell gefühlte Welt der unbegrenzten Möglichkeiten, die heute schon andere erfolgreich mit Äpfeln zu vermarkten wissen. Proprietäre Systeme, dir vermeintlich für die Nutzer ein Rundum-Sorglos-Paket bieten, erhöhen nicht die Mündigkeit der Nutzer, sondern verringern sie im Kern, weil am Ende andere bestimmen, was „gut“ für sie ist.

Und schließlich darf Medienpolitik so selbstbewusst sein und immer wieder darauf aufmerksam machen, dass Medienvielfalt, fairer Wettbewerb, gleichberechtigter Zugang zu Angeboten und Verbreitungswegen sowie die Gewährleistung angemessener ordnungspolitischer Schutzniveaus Ausdruck eines gesellschaftlichen Konsens‘ moderner Demokratien sind, den auch jeder noch so moderne Mediendienst zu respektieren hat.