
Sehr geehrte Damen und Herren,
verehrte Kulturschaffende,
es freut mich, dass wir heute Abend die Gelegenheit hatten, den Kreativpakt der aus einem Bündnis von Kultur, Wirtschaft und Politik hervorgegangen ist, etwas näher auch hier in Brüssel kennenzulernen. Er ist weder Zauberei noch ein Pakt mit dem Teufel – ganz im Gegenteil!
Ich bin überzeugt: Würde man ihm konsequent folgen, würden wir der Zukunft der Kulturbranche sehr viel optimistischer entgegen sehen können. Der Kreativpakt leistet etwas, was wir sowohl in Berlin, mit Sicherheit aber auch hier in Brüssel zu selten tun können: Er blickt über den Tellerrand eines von vornherein aus formalen Gründen recht eng abgegrenzten Politikbereich hinaus, vernetzt sinnvoll verschiedenste Politikbereiche und liefert damit ein in sich schlüssiges und umfassendes Konzept. Bildungskonzepte, Wirtschaftsförderung, Kulturförderung, Netzpolitik und Rechtsfragen zur Vergütung und Nutzung kreativer Werke werden hier in einem Guss gedacht und man bekommt den Eindruck: Am Ende könnte es doch eigentlich ganz einfach sein.
Der erste Schritt wird – wie so häufig – der schwierigste sein, nämlich Überzeugungsarbeit zu leisten, dass eine zukunftsorientierte Politik zu Gunsten kreativ Tätiger umfassend gedacht und erarbeitet werden muss. Die neueste Mitteilung der Kommission macht hier meines Erachtens einen Schritt in die richtige Richtung, indem sie das Innovationspotenzial als auch die Wirtschaftskraft dieses Sektors erkennt. Sie fordert einen "ganzheitlichen Ansatz für integrierte Strategien" und zeigt für die einzelnen Politikbereiche, insbesondere auch für die Wirtschaftspolitik, Handlungsnotwendigkeiten auf. Ich habe den Eindruck, dass sich bisher schon geleistete Überzeugungsarbeit gelohnt hat und zunehmend erkannt wird, dass Kreativwirtschaft eine wesentliche Rolle in der Wertschöpfung spielt. Dies wird an den verschiedensten Stellen deutlich: das neue Förderprogramm "Kreatives Europa" soll in seinen einzelnen Förderbereichen flexibler werden, künftige Kulturhauptstädte sollen stärker den Gedanken eines wirtschaftlich nachhaltigen und für die Städte insgesamt lohnenden Konzepts verinnerlichen. Nicht mehr das einjährige kulturelle Event, das möglichst hochtrabende kulturelle Hervorbringungen beinhaltet soll im Vordergrund stehen, sondern die positiven Auswirkungen der Maßnahmen für eine nachhaltige die Stadtentwicklung und für die Stadtgesellschaft insgesamt. Die Ruhr 2010 ist dafür ein wirklich gelungenes Beispiel, vor allem dafür, wie die Menschen in einer Stadt bzw. einer ganzen Region mitgenommen und für ein solches Projekt gewonnen werden können und vor allem wie daraus auch wirtschaftlich erfolgreich Honig gesogen werden kann, der weit über das eine Jahr hinausweist.
Die Sozialdemokraten im Kulturausschuss des Europäischen Parlaments werden in Kürze ein Positionspapier zur Notwendigkeit der generationsübergreifenden Stärkung von Medienkompetenz verabschieden.
Ich sehe es als meine Aufgabe an, auch hier in Brüssel für einen umfassenden Ansatz zu werben. Die Europäische Union hat im Bereich der Bildungspolitik nur unterstützende und koordinierende Aufgaben. Aber gerade im Bereich der Förderung der Medienkompetenz über alle Generationen hinweg wäre es auch den Schweiß der Edlen in der Kommission wert, hier die unterstützende und koordinierende Aufgabe verstärkt wahrzunehmen und die Mitgliedsstaaten der EU zu ermuntern, die notwendige Kreativität zu entfalten und die entsprechenden Mittel zur Verfügung zustellen, um allen in Europa einen kritischen und selbstbewussten Umgang mit den immer vielfältiger werdenden Möglichkeiten der Informationsgesellschaft zu eröffnen.
Ein Weiteres hat mich die Erfahrung hier in Brüssel gelehrt, nämlich dass man nicht müde werden darf den Doppelcharakter von Kultur und Medien zu betonen und immer wieder darauf hinzuweisen, dass wir bei Kultur und Medien nicht über gewöhnliche Waren wie Brot oder Butter reden. Es gibt stets die Balance zu halten: Es ist richtig, dass sich die Schaffung kreativer Güter auch an einer wirtschaftlichen Verwertbarkeit orientieren darf und sich Kulturpolitik auch wirtschaftlichen Fragen mit einer größeren Offenheit stellen muss. Zugleich darf dabei aber der besagte Doppelcharakter kultureller Güter nicht in das Hintertreffen geraten. Sie sind in ihrer Vielfalt eben nicht nur Wirtschaftsgut, sondern zugleich Ausdruck und Notwendigkeit einer lebendigen Demokratie.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle nochmals betonen, dass sich das Parlament zu recht in der vorigen Woche mit Blick auf ein Verhandlungsmandat der Kommission für ein neues Freihandelsabkommen zwischen der USA und der EU für eine klare Herausnahme kultureller Güter und audiovisueller Dienstleistungen aus diesen Verhandlungen ausgesprochen hat. Ich bin froh, dass uns dies mit großer Deutlichkeit gelungen ist, zumal dies nicht vonvorneherein klar war und eines hohem Maßes an Überzeugungsarbeit bedurfte. Zwar traut sich in der Kommission heute niemand mehr den besagten Doppelcharakter zu bestreiten, das reale Handeln sieht dann aber oftmals anders aus. Deshalb gilt es hier, stets wachsam zu bleiben.
Eine weitere große Herausforderung stellt auch die Anpassung des Urheberrechts an die Gegebenheiten der digitalen Welt dar. Was wir hier derzeit auf europäischer Ebene diskutieren, ist leider kein umfassender Ansatz. Es bleibt die vage Hoffnung auf Verbesserungen im Bereich der Rechteverwertung. Insgesamt bleibt das zum Urheberrecht seitens der Kommission in dieser Legislatur bislang Vorgeschlagene hinter den Erwartungen weitestgehend zurück. Die Richtlinie über die verwaisten Werke geht über einer ersten Schritt in die richtige Richtung nicht hinaus und das Ergebnis muss insgesamt als enttäuschend bezeichnet werden. Der jetzt aktuell diskutierte Entwurf für eine Richtlinie über Verwertungsgesellschaften ist ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung, aber im detail ist noch eine Menge daran zu tun. Fragwürdig auch der Ansatz in einer Richtlinie zwei Dinge miteinander zu vermengen und zwar die Frage der Organisation von Verwertungsgesellschaften und der Onlinevertrieb von Musikrechten. Gerade hier zeigt sich, wie schwer sich die Kommission mit einem insgesamt kohärenten Ansatz tut.
Spannend bleibt, ob auch der Rat in den anstehenden Verhandlungen über die mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 2014 bis 2020 den Chancen, die die Kultur- und Kreativbranche bietet, bei der Mittelverteilung angemessen Beachtung schenken wird. Dies gilt nicht nur für die finanzielle Ausstattung des künftigen Förderprogramms "Kreatives Europa" sondern auch für den Erhalt kultureller Förderung in den Regionalfonds. Bleibt also zu hoffen dass auch sie von dem Kreativpakt in den Bann gezogen werden.
Ich kann nur sagen: Mich hat der Kreativpakt gepackt und ich bin gern bereit, hier auf europäischer Ebene für dieses umfassende Denken zu werben und es wo immer möglich in die Tat umzusetzen. Ich hoffe sehr, dass diese heutige Veranstaltung nur der Auftakt für einen breiten europäischen Dialog ist und bin der Bundestagsfraktion sehr dankbar, dass sie diesen Aufschlag gemacht hat. Packen wir’s also an!