Transatlantisches Freihandelsabkommen

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Positionspapier zum Transatlantischen Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP)

Das zwischen den USA und der Europäischen Union derzeit verhandelte Abkommen betrachten Bürgerinnen und Bürger, Medien sowie Teile der Politik mit großer Skepsis. Dies ist nicht nur der Art und Weise geschuldet, wie diese Verhandlungen durchgeführt werden, nämlich weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit und jedweder demokratisch legitimierter Instanz, sondern auch den berechtigten Sorgen vor einer Aufweichung hoher europäischer Standards und der Einführung eines Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahrens (ISDS).

Neben der Kommission sollte auch das Europäische Parlament Verhandlungsmandat besitzen, d.h. bei den Verhandlungen mit am Tisch sitzen, damit eine demokratische Teilhabe an Verhandlungen gewährleistet werden kann. Der NSA-Skandal und das Scheitern der Verhandlungen zu einem möglichen No-Spy-Abkommen haben das Vertrauen der Bevölkerung in gleichrangige und freundschaftliche Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA langfristig geschädigt. Wegen des enormen öffentlichen Interesses ist jedenfalls eine stärkere Einbindung des Europäischen Parlaments und die Veröffentlichung aller Verhandlungsdokumente (auch die der USA) unerlässlich. Derzeit kann das Europäische Parlament nach Abschluss der Verhandlungen dem Abkommen in Gänze entweder zustimmen oder es komplett ablehnen – Änderungen kann es aber nicht vorschlagen. Fest steht schon jetzt, dass der schlechte Kommunikationsfluss und die strengen Geheimhaltungsregelungen viele Europaabgeordnete sehr kritisch gestimmt haben.

Ein besonders kritischer Punkt ist die Frage des Investitionsschutzes. Die Einführung eines Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahrens (ISDS) würde es Investoren ermöglichen, die EU oder die einzelnen Mitgliedsstaaten jenseits des ordentlichen Rechtsweges auf millionenschwere Entschädigung für entgangene Gewinne zu verklagen. Die Auslagerung der Rechtsprechung in eigens für dieses Verfahren einberufene letztinstanzliche Schiedsgerichte ist höchst intransparent, höhlt rechtstaatliche Verfahren aus und ist zwischen Staaten mit ordentlichen Rechtssystemen gänzlich verzichtbar. Schlimmer noch: Investor-Staat-Streitbelegungsverfahren berauben der Politik jegliche Handlungsmöglichkeiten. Sie sind eine Gefährdung sowohl für bestehende wie auch für zukünftige Regelungen in allen Rechtsbereichen, vom Sozial-, Umwelt- und Gesundheitsrecht, über das Unternehmensrecht, das Urheberrecht, den Datenschutz, bis hin zu grundlegenden Rechten wie der Informations- und Kommunikationsfreiheit. In Zukunft könnte schon die Androhung einer Klage ausreichend sein, um ein Gesetzesvorhaben zu verhindern oder abzumildern. Mühsam, sowohl durch zivilgesellschaftliches Engagement als auch durch politische Arbeit auf die Beine gestellte Förderprogramme auf nationaler oder europäischer Ebene könnten über die Hintertür des Investitionsschutzes in einem Abkommen mit den USA in Frage gestellt werden. Es muss klar sein und bleiben: wer in Europa investieren will, muss sich an die hier geltenden Regeln halten, sowohl die bestehenden wie auch alle zukünftigen. Einen Investitionsschutz im Sinne eines Schutzes vor gesetzlichen Änderungen kann es nicht geben. Europäische Unternehmen würden zu Recht Wettbewerbsverzerrungen beklagen und der Weg zu einem Absenkungswettlauf von Standards wäre endgültig geebnet.

Für uns als Sozialdemokraten ist klar: Wir werden keinem Abkommen zustimmen, das solche Investitionsschutzklauseln enthält und Schiedsgerichte für die Beilegung von Streitigkeiten vorsieht.

Wir fordern alle gesellschaftlichen Gruppen auf, sich bis zum 6. Juli an der online Konsultation der EU-Kommission ( http://ec.europa.eu/yourvoice/ipm/forms/dispatch ) zu beteiligen und Ihre Antworten zu den dort gestellten Fragen einzureichen.
Zudem besteht die Gefahr der Aufweichung hoher europäischer Standards. Hierzu zählen wichtige Normen und Richtlinien in den Bereichen des Verbraucher-, Arbeitnehmer-, Umwelt- und Datenschutzes.

Datenschutz ist ein Grundrecht jedes EU-Bürgers, die USA erkennen den Schutz persönlicher Daten dagegen nicht als Grundrecht an. Datenschutzbelange sind deshalb in der europäischen Gesetzgebung zu regeln und dürfen nicht Teil der TTIP-Verhandlungen sein. Nur so verhindern wir die Schaffung eines "Parallelrechts", das europäische Datenschutzstandards unterläuft.

Der NSA-Skandal hat das Vertrauen zwischen den Handelspartnern nachhaltig beeinträchtig. Parallel zum TTIP muss deswegen ein Rahmenabkommen zwischen EU und USA zum Datenschutz abgeschlossen werden, das auf alle Instrumente des transnationalen Datenaustauschs wie etwa das TFTP- ("SWIFT")-, oder Fluggastdaten-Abkommen Anwendung finden soll. Ohne ein solches Abkommen mit hohen Schutzgarantien für EU-Bürger können wir dem Freihandelsabkommen nicht zustimmen.

Wir fordern eine ausdrückliche und umfassende Ausnahme kultureller und medialer Güter im TTIP!

Die EU selbst und alle ihre 28 Mitgliedstaaten sind dem UNSECO–Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung kultureller Ausdrucksformen beigetreten. Die USA hat bis heute diese Konvention nicht unterzeichnet. Kern der UNESCO-Konvention ist die Anerkennung der „Doppelnatur“ von Kulturgütern, Medien und -dienstleistungen als Handelsware und zugleich als Träger von Identitäten und Bedeutungen. Hieraus lassen sich für kulturelle Güter und Medien im Sinne einer Vielfaltsförderung und – sicherung besondere Regulierungen ableiten, die Kultur und Medien eben nicht nur unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Verwertbarkeit betrachten, sondern gesellschaftpolitische Werte über den freien Markt stellen. Darüber hinaus billigt die UNESCO-Konvention jedem Staat die Autonomie seiner Kulturpolitik zu. Eine öffentliche Kultur- und Medienförderung gibt es in den USA nicht; eine direkte Privilegierung der Kultur wird dort als Protektionismus betrachtet. Die jüngsten gerichtlichen Entscheidungen in den USA zum Thema Netzneutralität, bei denen der FCC das Recht abgesprochen wird, Netzneutralität über die wirtschaftlichen Verwertungsinteressen stellen zu können, lässt befürchten, dass auch die gerade von Europäischen Parlament in erster Lesung verabschiedete Absicherung der Netzneutralität und des Best-Effort-Prinzips durch TTIP wieder ins Wanken geraten könnte.

Das Europäische Parlament hatte mehrheitlich eine umfassende Ausnahme der Bereiche Kultur und audiovisuelle Medien gefordert. Eine Reihe von Mitgliedsstaaten, bzw. deren Kulturminister hatten sich dieser Forderung angeschlossen. Der Rat ist dem jedoch nicht gefolgt. Im Verhandlungsmandat für das TTIP, dass allein vom Rat beschlossen wird, ist nicht umfassend fixiert, dass sämtliche kulturelle und audiovisuelle Dienstleistungen ausgenommen werden. Die Ausnahme audiovisueller Dienste bezieht sich im Text nur auf das Kapitel zum Handel mit Dienstleistungen, nicht aber auf die Kapitel "Investitionsschutz" oder "Regulatorische Probleme". Zudem hat die EU-Kommission sich erbeten, zu einem späteren Zeitpunkt, dem Rat einen Vorschlag machen zu können, das Mandat auch in den bisher ausgeklammerten Bereichen zu erweitern. Sehr allgemein formuliert findet sich dann noch der Satz, dass nichts verhandelt werden dürfe, was die kulturelle Vielfalt in Europa gefährde.

In den bisherigen Verhandlungen haben die USA bislang bereits zweimal versucht das Thema audiovisuelle Dienstleistungen auf die Tagesordnung zu heben, um zu ertasten, welche Angebote unter die AVMD-Richtlinie fallen und welche als elektronische Kommunikationsdienste oder e-Commerce gelten könnten, also nicht grundsätzlich von den TTIP Verhandlungen ausgeschlossen sind. Dabei wissen die USA sehr wohl um die intern in der EU geführten Diskussionen um die Ausgestaltung der Rechtsbegriffe wie "audiovisueller Mediendienst" in der AVMD-Richtlinie.

Aus meiner Sicht ist sicherzustellen, dass alle Maßnahmen in Bezug auf den Schutz und die Förderung der kulturellen Vielfalt, der Freiheit der Medien und des Medienpluralismus‘ oder die Erhaltung und Entwicklung der audiovisuellen und anderen damit zusammenhängenden Dienstleistungen, die den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen jeder Gesellschaft dienen, unabhängig von der Technologie oder Vertriebsplattform in der Zuständigkeit der EU, und vor allem ihrer Mitgliedstaaten bleibt. Wegen der bereits erfolgten Vorstöße der USA bedarf es einer ausdrücklichen und umfassenden Ausnahme für die Bereiche Kultur und audiovisuelle Medien in den Verhandlungen und im Abkommen. Umfassend heißt, sie darf sich nicht nur auf den Bereich der Dienstleistungen beschränken, sondern muss ausdrücklich auch Investitionen einbeziehen.

Andernfalls werde ich ein Transatlantische Freihandelsabkommen ablehnen und auch bei meinen Kolleginnen und Kollegen darum werben, um einem drohenden Angriff auf alle Formen öffentlicher Förderung kultureller und audiovisueller Güter und Dienste, sei es im Bereich der Rechtssetzung oder im Bereich von Förderprogrammen, entgegenzutreten.