Schuldenfrei! Schuldenfrei?

Petra Kammerevert, MdEP Bild: © FKPH

Bevor ich im Juni 2009 in das Europaparlament gewählt wurde, war ich zehn Jahre lang Mitglied im Düsseldorfer Stadtrat. Daher und da ich derzeit stellvertretende Vorsitzende der Düsseldorfer SPD bin, beschäftigen mich kommunale Themen immer noch. Jetzt, bei den gleichzeitig stattfindenden Europa- und Kommunalwahlen, stehen sie im Zentrum der Diskussionen. Es geht mir hier um die Schuldenfreiheit Düsseldorfs, seit wann bzw. ob diese überhaupt besteht.

Seit Jahren hängt am Rathaus die Uhr, welche die Zeit der „Schuldenfreiheit“ der Stadt nach oben zählt. Wenn ich mit meinen folgenden Überlegungen richtig liege, muss die Stadt die Uhr entweder abhängen oder die Zeit, die dort angezeigt wird, so umstellen, dass die „Schuldenfreiheit“ schon seit der rot-grünen Mehrheit in der zweiten Hälfte der 90er besteht.

Bei der Diskussion um die Schuldenfreiheit der Stadt hat die CDU in den letzten Jahren ihre Argumentation nebensatzartig etwas verändert. Relativiert wäre eigentlich das richtige Wort. Die Stadt, konkret die schwarz-gelbe Ratsmehrheit, spricht nur noch von der „wirtschaftlichen Schuldenfreiheit“. Warum diese Einschränkung?

Im Haushalt der Stadt sind langfristige Verbindlichkeiten, umgangssprachlich als Schulden bezeichnet, ausgewiesen. Die Stadt könnte aber -wenn sie wollte- relativ problemlos Vermögen, welches sie in ihren Töchtern hat, mobilisieren um diese Schulden direkt abzutragen, um nominell schuldenfrei zu sein. Für diese Schulden müssen aber derzeit nur niedrige Zinsen gezahlt werden, die aus den Vermögenserträgen der Stadt getragen werden, so dass dies nicht wirklich weh tut und daher seitens schwarz-gelb nicht getan wird. So weit so gut.

Thomas Geisel hat im OB-Duell mit Dirk Elbers zu Recht darauf hingewiesen, dass die Stadt somit nominell nicht schuldenfrei ist. Dirk Elbers hat daraufhin mit großem Inbrunst auf dieses Vermögen hingewiesen, welches den Schulden -oder sind es in diesem Fall nur langfristige Verbindlichkeiten?- auf der Habenseite gegenüber steht. Somit sei die Stadt „wirtschaftlich schuldenfrei". Und Thomas Geisel und eigentlich die ganze SPD hätten somit keine wirtschaftliche Ahnung.

Was bedeutet das aber grundsätzlich wenn Schulden bzw. langfristigen Verbindlichkeiten ein Vermögen gegenüber steht? Warum ist dann die Stadt erst mit dem Verkauf der RWE-Anteile und der Stadtwerke (seit der Zeit läuft nämlich die „Schuldenfreiheitsuhr“) anscheinend schuldenfrei? Es stellt sich doch die Frage warum dann zuvor das „Anlagevermögen“ der Stadt, welches u.a. die Stadtwerke und die RWE-Anteile darstellten, nicht gegen die Schulden zur wirtschaftlichen Schuldenfreiheit aufgerechnet wurden.

Oder um einmal mit kommunalen Buchführungsmethoden zu argumentieren: Entweder betrachtet man es kameralistisch, also mit einer einfachen Einnahmen- und Ausgabenrechnung: Dann sind langfristige Verbindlichkeiten Schulden. Punkt. Oder man betrachtet es bilanziell: Dann stehen den langfristigen Verbindlichkeiten als Passiva das Anlagevermögen auf der Aktivseite gegenüber. Das nennt schwarz-gelb „wirtschaftlich schuldenfrei“. In der Bilanz gibt es den Begriff der Schulden nicht, sondern nur eine Überschuldung, wenn Zins und Tilgung nicht mehr getragen werden können. Wenn wir in Düsseldorf heute somit wirtschaftlich schuldenfrei sind, dann waren wir mit den Stadtwerken und den RWE-Anteilen im Anlagenvermögen Ende der 90er Jahre auch schon wirtschaftlich schuldenfrei. Natürlich waren die Schulden damals höher, das dem gegenüber stehende Vermögen aber auch. Und mit den Erträgen aus dem Vermögen, den Dividenden der RWE-Aktien und den Ausschüttungen der Stadtwerke, konnten die Zinsen problemlos bedient werden.

Nach einer solchen Betrachtung wäre die Stadt schon in der zweiten Hälfte der 90er -als rot-grün eine Ratsmehrheit hatte- wirtschaftlich schuldenfrei gewesen. Schwarz-gelb vollzog eine sogenannte Bilanzverkürzung, aber kein „Sparen“. Also wenn schwarz-gelb regiert ist die Stadt wirtschaftlich schuldenfrei, bei rot-grün ist die Stadt verschuldet? Liebe CDU, wenn ihr konsequent seid, hängt die Uhr ab oder stellt Sie auf die 90er um!

PS: Abgesehen davon zur Erinnerung: Der Verkauf der Stadtwerke erfolgte gegen den Willen der Düsseldorferinnen und Düsseldorfer in einer Hauruckaktion, unmittelbar nach dem Ablauf der Zweijahresbindung des erfolgreichen Bürgerentscheids gegen den Verkauf.