Aktuelle Plenarwoche in Straßburg

  • TTIP: Sonderklagerechte für internationale Konzerne müssen vom Tisch – Präsentation der Konsultationsergebnisse am Dienstag, 13.01.2015
    Hintergrund:
    Anfang 2014 legte die EU-Kommission im Rahmen der Verhandlungen zum geplanten Handelsabkommen mit den USA (TTIP) Gespräche über die sogenannten Investorenschutzklauseln auf Eis und leitete ab Ende März eine öffentliche Online-Konsultation zu dem Thema ein. Damit reagierte sie auf den wachsenden Widerstand gegen die Pläne, Sonderklagerechte für internationale Konzerne innerhalb des Abkommens zu vereinbaren. Die EU-Kommission will anhand der Konsultationsergebnisse ausloten, mit welcher Position sie in die Verhandlungen zum Investorenschutz und Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten herangehen soll. Bis zum 13. Juli 2014 hatte jeder Interessierte die Gelegenheit, seine Überlegungen und Bedenken darzulegen. Knapp 150.000 Beiträge sind bis zum Ablauf der Frist bei der Kommission eingegangen – 32.513 allein aus Deutschland (die meisten Beiträge kamen aus Großbritannien, nämlich 52.008 gefolgt von Österreich mit 33.753 Beiträgen). Bemerkenswerterweise waren es mit überwältigenden 99,62 Prozent vor allem Einzelpersonen, die sich am Konsultationsverfahren beteiligt haben. Unter den 569 Organisationen, die an der Konsultation teilnahmen, waren es größtenteils Nichtregierungsorganisationen (NROen – 180). Am kommenden Dienstag stellt EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström die Ergebnisse der Konsultation vor.
    SPD-Position: Die SPD-Europaabgeordneten wollen nicht, dass mit einem möglichen EU-US-Handelsabkommen ein System von internationalen Geheimgerichten außerhalb staatlicher Rechtssysteme geschaffen wird. Sie sehen darin die Gefahr, dass internationale Großkonzerne dieses für ungerechtfertigte Klagen missbrauchen könnten. Sonderklagerechte (ISDS) zwischen zwei Regionen mit zuverlässigen und entwickelten Rechtssystemen (wie im Falle der EU und den USA) sind nicht notwendig und können im schlimmsten Fall bedenkliche Auswirkungen für die Rechtssetzung gerade im Sozial-, Umwelt und Gesundheitsbereich haben. Demokratisch herbeigeführte Entscheidungen für das Allgemeinwohl sind aus Sicht der SPD-Europaabgeordneten aber unantastbar. Für sie macht ISDS auch ökonomisch keinen Sinn: es ist völlig klar, dass Investitionen nicht durch ISDS, sondern Faktoren wie Marktnähe, Steuern oder das unternehmerische Umfeld bedingt werden. Anstatt lediglich eine Verhandlungspause einzulegen, hätte aus Sicht der Sozialdemokraten die EU-Kommission konsequent sein müssen und die Pläne zu Investorenschutzklausen vollständig streichen sollen.
  • Anbauverbot von gentechnisch veränderten Pflanzen – Deutschland darf endlich selbst entscheiden
    Debatte und Abstimmung am Dienstag, 13.01.2015 ab ca. 10.00 Uhr
    Hintergrund:
    Gentechnisch verändertes Saatgut, das in Europa durch die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) zugelassen ist, darf prinzipiell in den einzelnen Mitgliedstaaten angebaut werden. Einmal zugelassen kann ein Verbot oder ein eingeschränkter Anbau des gentechnisch veränderten Produktes bisher nur unter Anwendung einer zeitlich begrenzten Schutzklausel erfolgen. Allgemein besteht aber der Wunsch, dass jeder Mitgliedstaat selbst und flexibler über Anbau oder Verbot von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO) entscheiden kann. Mit der jüngst getroffenen neuen Freisetzungsregelung ist das in Zukunft gegeben.
    Ergebnis der Trilogverhandlungen: Das ursprünglich vom Rat vorgesehene zweistufige Zulassungsverfahren, wonach sich in der ersten Phase Mitgliedstaaten und Saatgutkonzerne zunächst verständigen sollten und erst in der zweiten Phase ein nationales gesetzliches Anbauverbot ausgesprochen werden kann, ist in der Form vom Tisch. Der Kompromiss sieht nun vor, dass die nationalen Regierungen die Phase 1 überspringen können und somit ein Anbauverbot gleich zu Beginn eines Zulassungsverfahrens möglich ist. Darüber hinaus haben die Europaabgeordneten durchgesetzt, dass die Mitgliedstaaten sogenannte Koexistenzregelungen in Grenzgebieten einführen müssen, um ein Nebeneinander von konventionellem oder ökologischem Landbau mit dem Anbau von GVO zu ermöglichen. Darüber hinaus werden die Regeln für die Risikobewertung verschärft und Anbauverbote können sowohl für einzelne Pflanzen als auch für Gruppen von GVO-Pflanzen ausgesprochen werden. Die neuen Ausstiegsregelungen gelten auch für bereits von EFSA zugelassene GVO.
    SPD-Position: Die SPD-Europaabgeordneten tragen den mühsam gefundenen Kompromiss zur Ausstiegsregelung mit. Der Anbau von GVO kann damit rechtssicher und umfassend geregelt werden. Den Sozialdemokraten wäre aber ein einheitliches europaweites Anbauverbot von gentechnisch veränderten Pflanzen sehr viel lieber gewesen, um einen Flickenteppich in Europa zu verhindern, der nun unweigerlich entstehen wird.
    Ausblick: Nachdem das Plenum des Europäischen Parlaments aller Voraussicht nach in der kommenden Woche die Richtlinie verabschieden wird, sind die Regierungen und Parlamente der Mitgliedstaaten am Zug. Die Agrarministerkonferenz der Bundesländer und der Bundestag haben bereits ein schnelles Handeln der Bundesregierung eingefordert, um ein bundesweit einheitliches Anbauverbot von GVO durchzusetzen. Mit der Entscheidung des EU-Parlaments wären damit die Grundlagen für eine gentechnikfreie Landwirtschaft in Deutschland gelegt.
  • Noch fehlt der Kompass – Kritik am Kommissionsprogramm 2015
    Abstimmung über die Resolution am Donnerstag, 15.01.2015 ab 12.00 Uhr
    Hintergrund:
    Ihr Arbeitsprogramm für das Jahr 2015 hatte die Europäische Kommission am Dienstag, 16. Dezember 2014, veröffentlicht. Darin enthalten sind neue Gesetzesinitiativen sowie Änderungen und Streichungen vorheriger Vorschläge. Präsident Jean-Claude Juncker hatte angekündigt, dass die Kommission künftig politischer und unbürokratischer arbeiten wolle: Für das kommende Jahr plant die EU-Regierung nur 23 neue Gesetzesvorschläge, in den Jahren zuvor waren es im Durchschnitt 130. Die Initiativen sollen insbesondere über Investitionen Wachstum und neue Arbeitsplätze schaffen. Konkret hebt die EU-Kommission hervor, Vorschläge auszuarbeiten für einen digitalen Binnenmarkt in Europa, eine Energieunion, ein Investitionspaket, einen Plan zur fairen Besteuerung, eine Agenda für Migration und eine Vertiefung der Wirtschaft- und Währungsunion. Das Kommissionsprogramm für 2015 soll allerdings ausdrücklich keine Arbeitsgrundlage für das gesamte Mandat darstellen.
    EP-Position: Die Sozialdemokraten Europas sondieren derzeit ihre Forderungen an die EU-Kommission für 2015 mit anderen Fraktionen, um ihnen möglichst großen parlamentarischen Nachdruck zu verleihen.
    SPD-Position: Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Europäischen Parlament begrüßen das Vorhaben zu einer fokussierten und politischen EU-Kommission, die sich auf wichtige Gesetzesvorhaben konzentrieren will. Dabei ist jedoch entscheidend, dass die Kommission nicht zielführende und fortschrittliche Initiativen streicht, wie etwa das Luftpaket zur Verringerung von Emissionen oder das Abfallpaket, das neben den positiven Auswirkungen auf die Umwelt laut Kommission 300.000 neue Arbeitsplätze schaffen und 70 Milliarden Euro Investitionen in umweltfreundliche Technologien und Projekte ermöglichen kann. Positiv bewertet die Europa-SPD die von der EU-Kommission angekündigte Abkehr vom Dogma der Austerität, verkörpert insbesondere durch das geplante Investitionspaket. Um Wachstum und nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen, müssen jedoch noch viele handwerkliche Unklarheiten beseitigt und muss das Konzept auch noch zwingend nachgeschärft werden. Weiterhin befürwortet die Europa-SPD den Vorschlag der EU-Kommission, Steuervermeidung und Steuerflucht effektiver zu bekämpfen. Forderungen für einen Aktionsplan haben die Sozialdemokraten in einem Sieben-Punkte-Plan gegen Steuervermeidung und Steuerflucht zusammengefasst, der insbesondere auf Drängen unserer Fraktion durch letzte Korrekturen am Arbeitsprogramm der Kommission an Prominenz gewonnen hat: http://spdeu.de/node/1871. Die Europa-SPD pocht zudem auf eine weitere Demokratisierung der EU. Deshalb arbeiten die Parlamentarier auch in 2015 gegen die Bestrebungen der EU-Kommission, gesetzgeberische Kompetenzen vom Europaparlament in weniger bürgernahe bürokratische Verfahrensformen zu verlagern – wie etwa bei der Troika geschehen. Die Sozialdemokraten kritisieren außerdem scharf das Fehlen nahezu jeglicher Sozialpolitik im neuen Arbeitsprogramm der EU-Kommission.
    Ausblick: Die Resolution des EU-Parlaments ist für die Kommission nicht bindend. Eine gute Zusammenarbeit von Europaparlament und EU-Kommission ist jedoch eine Voraussetzung für die effiziente gesetzgeberische Arbeit der EU. Die Kommission ist deshalb gut beraten, die Forderungen der Parlamentarier ernst zu nehmen.
  • Geisterschiffe: Bekämpfung von Schleuserkriminalität reicht nicht aus
    Debatte Dienstag, 13.01.2015 ca. 17.00 Uhr
    Hintergrund:
    Schlepperbanden haben eine neue Methode entwickelt, um schutzsuchende Migranten auch in den Wintermonaten über das stürmische Mittelmeer zu schleusen: in riesigen, Frachtschiffen, ohne Besatzung, sind Tausende von Menschen ihrem Schicksal selbst überlassen. Allein in der Woche zur Jahreswende wurden zwei riesige Cargos von der Frontex-Operation Triton und der italienischen Küstenwache gerettet: der Frachter ‚Ezadeen‘ unter moldawischer und ‚Blue Sky M‘ unter sierra-leonischer Flagge. Die Schleuser hatten zuvor die Schiffe verlassen oder sich unerkannt unter die Flüchtlinge gemischt. Diese waren daraufhin im Meer getrieben, bis die italienische Küstenwache sie aufgriff und die insgesamt fast 1200 Migranten in Sicherheit gebracht hat. Dabei handelte es sich größtenteils um Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien. Für die Überfahrt zahlten die Menschen bis zu 8.000 US-Dollar.
    EP-Position: Das Europäische Parlament erwartet eine klare Positionierung von EU-Kommission und Rat, die am kommenden Dienstag im Plenum dazu Stellung nehmen werden, wie sie mit der Frage der Geisterschiffe im Mittelmeer umzugehen gedenken.
    SPD-Position: Die SPD-Europaabgeordneten fordern die Schaffung und den Ausbau von legalen und sicheren Wegen nach Europa für schutzbedürftige Personen. Die einseitige Bekämpfung von Schleuserkriminalität ist nicht zielführend und wird Menschen, die vor Verfolgung und Bürgerkrieg fliehen, nicht von der gefährlichen Einreise übers Mittelmeer abhalten.
  • Einsatz für mehr Transparenz und Recht – Jahresbericht der EU-Bürgerbeauftragten 2013
    Debatte Mittwoch, 14.01.2015 ab 15:00 Uhr, Abstimmung Donnerstag, 15.01.2015 ab 12.00 Uhr
    Hintergrund:
    Die Europäische Bürgerbeauftragte ist die Schnittstelle zwischen den europäischen Bürgern, Unternehmen und Organisationen auf der einen Seite und den Organen und Einrichtungen der EU auf der anderen. Sie bearbeitet Beschwerden und trägt zum Aufdecken von Missständen bei, in denen EU-Institutionen nicht vorschriftsgemäß handeln. Im September letzten Jahres legte sie ihren jährlichen Rechenschaftsbericht vor. Im Jahr 2013 erhielten demnach 23.245 Bürgerinnen und Bürger Unterstützung durch die Europäische Bürgerbeauftragte. Beschwerden über mangelnde Transparenz in den EU-Einrichtungen, insbesondere der Zugang zu Informationen und Dokumenten, lagen mit 25,6 Prozent an der Spitze der Beschwerdeliste. Während die EU-Kommission in 64,3 Prozent der Fälle von den durchgeführten Untersuchungen betroffen war, war es das EU-Parlament nur in 4,3 Prozent der Beschwerden. Bei einem bekannten Fall ging es um das Transparenzregister, das Informationen über die Lobbyarbeit von Interessenvertretern bei den EU-Einrichtungen bereitstellt. Eine Nichtregierungsorganisation hatte sich bei der EU-Kommission beschwert, dass zwei multinationale Unternehmen viel zu niedrige Angabe zu ihren Ausgaben für Lobbytätigkeit gemacht hätten. Da die NRO mit der Antwort der Kommission nicht zufrieden war, legte sie beim damaligen Bürgerbeauftragten Beschwerde ein, woraufhin dieser die Kommission kritisierte und zudem aufforderte, das Register den OECD-Grundsätzen für Transparenz und Integrität zu überarbeiten. Darüber hinaus gingen in den vergangenen Monaten auch viele Beschwerden ein, die den Zugang zu Informationen und Dokumenten bei den TTIP-Verhandlungen kritisierten. In der kommenden Woche nimmt das Europäische Parlament in seinem Bericht Stellung zu der Arbeit der Bürgerbeauftragten.
    EP-Position: Die Europaabgeordneten begrüßen fraktionsübergreifend den Jahresbericht 2013 der Europäischen Bürgerbeauftragten Emily O´Reilly. Besonders erfreulich aus Sicht des Europäischen Parlaments ist, dass im Jahr 2013 die Zahl der Menschen, denen geholfen werden konnte, im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen ist. Auch die Bemühungen der Bürgerbeauftragten und ihres Vorgängers, die EU-Institutionen transparenter und bürgerfreundlicher zu gestalten, erkennen die Abgeordneten als wichtigen Beitrag an, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die EU wieder zu stärken. Dennoch regen gerade die Sozialdemokraten an, sicherzustellen, dass auch Menschen, die keinen Internetzugang haben, ihr Recht auf Zugang zu den Dienstleistungen der/des EU-Bürgerbeauftragen in vollem Umfang wahrnehmen können.
    SPD-Position: Die Sozialdemokraten unterstützen den Bericht und die Arbeit der Europäischen Bürgerbeauftragten voll und ganz – insbesondere ihre Rolle bei der Unterstützung der EU-Institutionen offener, effektiver und bürgerfreundlicher zu werden. Ausreichende finanzielle und personelle Mittel bereitzustellen, ist wesentlich für den Erfolg der Dienststelle und wird von den Sozialdemokraten unterstützt.
    Ausblick: Im Jahr 2015 wird sich die Europäische Bürgerbeauftragte weiter mit den TTIP-Verhandlungen auseinandersetzen. Bis zum 31. Januar 2015 ist eine Antwort der Kommission auf den Initiativreport der Bürgerbeauftragten zu den TTIP-Verhandlungen zu erwarten, der im Dezember 2014 veröffentlicht wurde.