
Debatte Dienstag, 19. Januar, ab 15 Uhr
Hintergrund: Die nationalkonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) baut den polnischen Staat auf beunruhigende Art und Weise durch Gesetzesänderungen um. Die Regierung in Warschau hat die Stellung des Verfassungsgerichtes als unabhängige Kontrollinstanz der Regierung durch eine Gesetzesreform geschwächt, die Unabhängigkeit des öffentlichen Rundfunks und der Medienpluralismus sind durch das kürzlich verabschiedete neue Mediengesetz bedroht. Die EU-Kommission hat angekündigt, auf die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in dem EU-Mitgliedsland zu pochen. Bei mehreren größeren Demonstrationen haben Bürgerinnen und Bürger Polens deutlich gemacht, dass sie in einem demokratischen Polen in der EU leben möchten. Dazu gehören sowohl unabhängige Justiz als auch unabhängige Medien.
EP-Position: Bereits im Dezember 2015 hat die Konferenz der Präsidenten des Europäischen Parlaments beschlossen, die bedenklichen Entwicklungen in Polen auf die Tagesordnung der nächsten Plenarsitzung in Straßburg zu setzen – unter anderem auf Antrag der Sozialdemokraten. Ungarns Premier Viktor Orbán, Mitglied der konservativen Europäischen Volkspartei, hat bereits angekündigt, dass Ungarn keine Sanktionen gegen die PiS-Regierung unterstützen wolle.
SPD-Position: Demokratie und Rechtstaatlichkeit sind das Fundament der gemeinsamen europäischen Wertegemeinschaft. Eine gezielte Infragestellung dieser Werte durch eine Einschränkung der Unabhängigkeit von Justiz und Medien können die SPD-Europaabgeordneten nicht akzeptieren. Die EU-Institutionen stehen in der Pflicht, sich mit der Entwicklung in Polen zu befassen. Es geht nicht darum, Polen unter Aufsicht zu stellen, sondern darum, im Dialog gemeinsam mit der polnischen Regierung den Weg zurück zur Einhaltung der europäischen Werte zu finden. Die SPD-Europaabgeordneten begrüßen die Debatte in Straßburg und die Aktivierung der ersten Stufe des so genannten Rechtsstaatlichkeitsmechanismus durch die Europäische Kommission. In dieser ersten Stufe wird die Lage in einem Land bewertet, um dann eventuell weitere Schritte einzuleiten, bis hin zur Aktivierung von Artikel 7 der EU-Verträge, der Sanktionen gegen Mitgliedstaaten zur Folge haben könnte. Beides dient als deutliches Signal sowohl an die polnische Regierung als auch an die polnische Zivilgesellschaft – ihr wird so versichert, dass die Lage in Polen genau beobachtet wird und weitere Schritte folgen könnten, falls die polnische Regierung nicht einlenkt. Der Negierung gemeinsamer europäischer Werte muss ohne Wenn und Aber Einhalt geboten werden. Wir erwarten, dass die europäische Flagge in die polnischen Regierungsämter zurückkehrt.
Ausblick: Die EU-Kommission hat am Mittwoch, 13. Januar entschieden, die erste Stufe des Rechtsstaatsmechanismus in Kraft zu setzen. Sie nimmt die Lage in Polen nun noch genauer unter die Lupe, um Mitte März eine erste Zwischenbilanz zu ziehen. Für Dienstag, 19. Januar hat die polnische Ministerpräsidentin angekündigt, im Plenum in Straßburg eine Erklärung abzugeben.
Einrichtung eines Untersuchungsausschusses geplant; Debatte über realistische Abgastests voraussichtlich Montag, 18. Januar, ab 17 Uhr
Hintergrund: Schadstoffe in der Luft verursachen in der Europäischen Union jährlich 400.000 vorzeitige Todesfälle. Einer der Hauptverursacher ist der PKW-Verkehr. Der Abgasskandal zeigt, dass Teile der Automobilindustrie mit manipulierten Abgastests die geltenden Grenzwerte für Stickoxide unterlaufen. Medien berichten, die EU-Kommission sei bereits seit 2012 über illegale Software-Manipulationen von Autokonzernen informiert gewesen. Das Joint Research Centre, der wissenschaftliche Dienst der EU-Kommission, hatte laut Berichten zudem schon 2011 in einer Studie weit überhöhte Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen ermittelt. Obwohl die Wissenschaftler zu einer Veränderung der Zulassungspraxis wegen der Manipulationsgefahr bei Abgastests drängten, geschah bis zur Aufdeckung des Skandals durch die US-Umweltschutzbehörde im September 2015 wenig. Warum dies so war und wer von den möglichen Manipulationen wusste, soll ein Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments klären.
EP-Position: Das Plenum in Straßburg hatte am 17. Dezember 2015 für die Einsetzung des Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Abgasaffäre gestimmt. Die Mehrheit der Abgeordneten im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments mahnt seit Jahren Abweichungen bei Abgastests an und fordert die zügige Einführung des Tests unter realen Fahrbedingungen (Real Driving Emissions, RDE). Die Sozialdemokraten hatten am 14. Dezember 2015 zusammen mit Grünen, Linken, Liberalen und EFDD einen mangelhaften Vorschlag zur Einführung realistischer Abgastests abgelehnt, der den Automobilherstellern neue Hintertüren für die Verschlechterung von Grenzwerten eröffnet. Mit Ihrem Einspruch stimmten Sie gegen die Unterhöhlung der geplanten Einführung für Abgastests unter realistischen Fahrbedingungen (RDE).
SPD-Position: Die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament haben einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Abläufe in der Europäischen Kommission und in den EU-Staaten durchgesetzt. Darüber hinaus fordern sie die zügige Einführung des Tests unter realen Fahrbedingungen, der auf Fahrzeuge ab 2017 angewendet werden muss. Dabei darf es keine neuen Schlupflöcher oder Spielräume zur Abweichung geben. So kann sichergestellt werden, dass neue Dieselfahrzeuge auf Europas Straßen endlich die vor fast zehn Jahren beschlossenen Euro-6-Grenzwerte erfüllen. Die sozialdemokratischen Abgeordneten sind schockiert über die Entscheidung der EU-Regierungen, durch die Hintertür des neuen Testverfahrens die Grenzwerte für Emissionen von Dieselfahrzeugen zu erhöhen. Die Vertreter der EU-Staaten hatten Ende Oktober 2015 über das neue Testverfahren de facto neue Grenzwerte für Stickoxidemissionen von Dieselautos beschlossen, die doppelt so hoch wie die 2007 beschlossenen Werte des Euro-6-Standards sind.
Ausblick: Über die Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses wird das Plenum des Europäischen Parlamentes am Donnerstag, 21. Januar abstimmen. Dann werden die Abgeordneten des Europaparlaments die Gesetzgebung der EU zu Abgas-Messverfahren unter die Lupe nehmen. Über den Vorschlag der EU-Kommission für neue Emissionsgrenzwerte wird das Plenum des Europaparlamentes voraussichtlich im Februar 2016 abstimmen.
Initiativbericht; Debatte und Abstimmung Dienstag, 19. Januar, ab 9 bzw. 12.30 Uhr
Hintergrund: Das Internet überwindet mit äußerst geringem Aufwand nationale Grenzen. Um einen digitalen EU-Binnenmarkt zu schaffen, sind deshalb einheitliche, verbraucherfreundliche Regeln sinnvoll. Neben den Chancen für die Wirtschaft dürfen dabei starke Rechte der Arbeitnehmer und ein wirtschaftlicher Schutz für Kreativschaffende nicht unter den Tisch fallen. Deshalb hat das Europaparlament den Initiativ-Bericht "Towards a Digital Single Market Act" erarbeitet, unter den Ko-Berichterstatterinnen Evelyne Gebhardt (SPD) und Kaja Kallas (Liberale). Insgesamt haben sich sechs Ausschüsse des Europaparlaments mit exklusiven und geteilten Kompetenzen an dem Bericht beteiligt.
EP-Position: Im Dezember hatte der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz den Bericht gemeinsam mit dem Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie angenommen. Er fand eine Mehrheit von 80 Stimmen, drei Enthaltungen und sechs Gegenstimmen.
SPD-Position: Für die Sozialdemokraten ist der Kompromissentwurf ein befriedigendes Resultat nach einer mühseligen und konfliktreichen Zusammenarbeit mit der liberalen Ko-Berichterstatterin und der geteilten Kompetenz mit sechs beteiligten Ausschüssen. Den europäischen Sozialdemokraten ist es insbesondere gelungen, sozialpolitische Bedenken hinsichtlich um sich greifender Phänomene in der Sharing Economy und den daran gekoppelten Arbeitsverhältnissen von Selbständigen und Beschäftigten in den Bericht einzuführen. Die Sozialdemokraten fordern eine Digitalisierung, die den wirtschaftlichen Wert der Kreativwirtschaft und deren hohe Beschäftigungszahlen erhält oder erhöht. Die Sozialdemokraten begrüßen die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft und sind in diesem Bericht mit ihrer Forderung nach einer konstruktiven, minimal-invasiven Gesetzgebung durchgedrungen.
Ausblick: Wenn das Europäische Parlament den Ausschussbericht am 19. Januar 2016 mit der Mehrheit seiner Mitglieder annimmt, richtet sich dieser nicht-legislative Initiativbericht mit sofortiger Wirkung an die EU-Kommission.
Initiativbericht; Debatte Montag, 18. Januar ab 17 Uhr; Abstimmung Dienstag 19. Januar ab 12.30 Uhr
Hintergrund: Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise mussten die europäischen Gesetzgeber unmittelbar und umfassend handeln. Durch zahlreiche Gesetze hat das Europäische Parlament als Mitgesetzgeber in der vergangenen Legislaturperiode unter anderem Mammutprojekte wie die Schaffung der Bankenunion und der europäischen Finanzaufsicht auf den Weg gebracht. Dieses schnelle Handeln war notwendig. Es hat zu einer Stabilisierung der Finanzmärkte geführt und verloren gegangenes Vertrauen wiederhergestellt.
EP-Position: Der Initiativbericht des Europaparlaments bewertet rückblickend das bisher Erreichte, richtet den Blick aber auch nach vorne, auf noch zu regulierende Bereiche der Finanzmärkte und Herausforderungen wie die fortschreitende Digitalisierung. Es geht darum, eine Feinabstimmung der verabschiedeten Gesetzestexte aufeinander vorzunehmen, Überschneidungen zu beseitigen, Schlupflöcher zu erkennen und gegebenenfalls nachzujustieren. Damit können die aktuellen großen Vorhaben der Gesetzgeber, wie beispielsweise der EU-Investitionsplan und die Kapitalmarktunion, auf einem langfristig effizienten, stabilen und funktionierenden Finanzsystem aufbauen und somit ihre volle Wirkungskraft entfalten.
SPD-Position: Die Sozialdemokraten konnten viele ihrer Prioritäten in den Bericht einbringen. Von besonderer Bedeutung ist die kritische Hinterfragung der bisher verabschiedeten Regeln in Bezug auf Verhältnismäßigkeit, da insbesondere kleine Banken verhältnismäßig höhere Kosten durch Regulierung schultern müssen als Großbanken. Hier sollte ein noch stärkerer risikobasierter Ansatz bei regulatorischen Maßnahmen die solide wirtschaftenden kleinen und mittleren Banken spürbar entlasten und mehr Spielräume für die Kreditvergabe an den Mittelstand schaffen. Zudem konnten die Sozialdemokraten die Evaluation der Finanzmarktregulierung deutlich verbessern. So soll die Regulierung regelmäßig gesamtheitlich bewertet werden, um gegebenenfalls sinnvoll reformieren zu können. Hier konnten die Sozialdemokraten die Qualität deutlich verbessern, indem der Anwendungsbereich und der Kriterienkatalog erheblich erweitert wurden.
Ausblick: In der Zwischenzeit hat die Europäische Kommission entscheidende Gesetzesvorhaben zur Schaffung der Kapitalmarktunion vorgestellt, wie etwa die Verordnung zu einfachen, transparenten und standardisierten Verbriefungen und die Überarbeitung der Prospektrichtlinie. Diese Vorhaben werden 2016 im Europäischen Parlament im Mitgesetzgebungsverfahren bearbeitet. Damit die Maßnahmen neue, sichere und wirksame Möglichkeiten der Unternehmensfinanzierung schaffen, muss auch der regulatorische Rahmen kohärent sein und die richtige Balance zwischen Stabilität und Wirtschaftlichkeit wahren. Die im Bericht vorgeschlagenen Empfehlungen sollten dazu genutzt werden, dass in einem Umfeld der schnelllebigen und sich ständig verändernden Finanzmärkte nicht erst dann gehandelt wird, wenn sich eine Schieflage ergibt, sondern vorausschauend durch entsprechende Regelungen und konsequente Aufsicht sichergestellt ist, dass es gar nicht erst dazu kommt.