
Britisches Referendum über die Mitgliedschaft in der Europäischen Union am Donnerstag, 23.06.2016
Hintergrund: Der Tag der Entscheidung rückt näher: Am Donnerstag, 23. Juni werden die Briten über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union abstimmen. Großbritannien hat durch zahlreiche Ausnahmereglungen bereits einen besonderen Status. Es nimmt weder an der Währungsunion, noch an der gemeinsamen Justiz- und Innenpolitik oder dem grenzfreien Schengenraum teil. Zudem wurde dem Land 1984 ein Rabatt auf die Beitragszahlungen gewährt, der sich bis heute laut EU-Kommission auf mehr als 100 Milliarden Euro summiert. Mit dem Referendum wird sich entscheiden, ob diese Sonderbeziehung innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union weiterentwickelt wird. Im Falle des Verbleibs Großbritanniens muss das Abkommen über "eine neue Regelung für das Vereinigte Königreich innerhalb der Europäischen Union" umgesetzt werden, das die Staats- und Regierungschefs im Februar 2016 ausgehandelt haben. Der britische Ausstieg aus der "immer engeren Union" könnte dabei die Spaltung der EU in Eurozone und einen erweiterten Binnenmarkt einleiten. Sollte es zum Brexit kommen, muss das Verhältnis zwischen der Union und ihrem ehemaligen Mitglied im Rahmen des Austrittsverfahrens neu geregelt werden.
Ausblick: Das Referendum über die Zukunft des Vereinigten Königreichs in der EU stellt eine Zäsur in der Geschichte der Europäischen Integration dar, da es Auswirkungen auf die Architektur der gesamten Europäischen Union hat. Auf der einen Seite muss die Eurozone sich weiter vertiefen, um widerstandsfähig und erfolgreich zu sein; gleichzeitig sind offensichtlich nicht wenige Entscheidungsträger in Ländern wie dem Vereinigten Königreich lediglich am gemeinsamen europäischen Binnenmarkt interessiert und lehnen eine weitere Vertiefung der Europäischen Union ab. Mittelfristig muss deshalb auch der institutionelle Rahmen der Europäischen Union an diese Realität angepasst werden. Für den Fall eines „No“ bereitet sich die EU-Kommission auf eine Sondersitzung am Sonntag, 26. Juni vor. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union wollen über mögliche Folgen des Referendums auf ihrem kommenden Gipfel am Dienstag, 28.Juni und Mittwoch, 29. Juni 2016 in Brüssel sprechen.
Zwischenbilanz; Präsentation und Debatte am Mittwoch, 08.06.2016, ab 9 Uhr
Hintergrund: In vielen Teilen Europas stockt das Wachstum, Arbeitslosigkeit und Schuldenberge sind hoch. Um diese Herausforderung anzugehen, präsentierte die EU-Kommission auf Drängen der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament im November 2014 eine Investitionsoffensive. Diese beruht auf drei Komponenten: 1.) Einrichtung des Europäischen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI), 2.) Schaffung einer Projekt-Pipeline in Verbindung mit der Beratung für die Strukturierung von Projekten, zum Beispiel die Beantragung von Fördergeldern, damit die Investitionen dorthin fließen, wo sie am dringendsten benötigt werden, 3.) Aufstellung eines Zeitplanes, um Europa für Investitionen attraktiver zu machen und regulatorische Engpässe zu beseitigen.
EP-Position: Im vergangenen Jahr hat das Europäische Parlament die Verordnung zum Europäischen Fonds für Strategische Investitionen mit großer Mehrheit verabschiedet. Vorangegangen waren monatelange Verhandlungen, in denen das Europäische Parlament den Kommissionsvorschlag in entscheidenden Punkten nachgebessert hat. So konnten die Parlamentarier durchsetzen, dass der Fonds in nachhaltige Projekte wie den Breitbandausbau, Energieeffizienz und die Transportinfrastruktur investiert, um die europäische Wirtschaft zukunftsfähig zu machen und Jobs zu schaffen.
SPD-Position: Die Europa-SPD wird sich kritisch mit den ersten Ergebnissen des Europäischen Investitionsfonds, die der EU-Kommission vorliegen, auseinandersetzen, und gegebenenfalls Anpassungsbedarf eruieren. Die Sozialdemokraten fordern von allen beteiligten Akteuren ein erhöhtes Maß an Transparenz, um die Initiative zum Erfolg zu führen.
Ausblick: Aktuell arbeitet das Europäische Parlament an einem Initiativbericht, der die bisherige Wirksamkeit des Europäischen Investitionsfonds evaluieren soll. Bis zum Jahresende soll das Plenum des Europäischen Parlaments über diesen Bericht abstimmen. Die Europäische Investitionsbank wird die per Verordnung festgelegte Halbzeitbilanz zum Europäischen Investitionsfonds im Januar 2017 vorlegen.
Abstimmung am Mittwoch, 08.06.2016, 12.30 Uhr
Hintergrund: Die Panama Papers haben gezeigt, dass Unternehmen, wohlhabende Individuen, Staatschefs sowie Terrororganisationen in einer vorher ungeahnten Dimension von anonymen Briefkastenfirmen Gebrauch machen, um ihre Spuren und Aktivitäten zu verschleiern. Obwohl das Internationale Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ) einen Teil der elf Millionen Dokumente ausgewertet und einige Fragen beantwortet hat, bleibt vieles ungeklärt. Deshalb will das Europaparlament, dass dieser Skandal von einem Untersuchungsausschuss geprüft wird. Hierbei soll untersucht werden, ob die Nutzung von Briefkastenfirmen und die damit verbundenen Aktivitäten und Akteure gegen europäisches Recht verstoßen haben.
SPD-Position: Umgehend nach den ersten Enthüllungen der Panama Papers forderten die Sozialdemokraten einen Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments. Hierbei konnte durchgesetzt werden, dass Themen wie staatliche Beihilfen, die Berücksichtigung von Verbindungen zu Drittstaaten und Steueroasen, sowie die Rolle von Steuerprüfern, die bei der Verschiebung von Vermögen oft federführend beistehen, im Mandat enthalten sind.
EP-Position: Das gemeinsam ausgehandelte Mandat hat die Unterstützung aller Gruppen des Europaparlaments. Es ist ein sehr weit formulierter Auftrag, der eine Prüfung vieler Fragen und Bereiche gestattet. Themen wie Geldwäsche, Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden, staatliche Beihilfen für Unternehmen, sowie die Rolle von Finanzinstituten und anderen Mittelsmännern stehen auf der Agenda des Untersuchungsausschusses. Außerdem soll festgestellt werden, ob Finanzinstitute im Einklang mit den unionsrechtlichen Offenlegungs- sowie Sorgfaltspflichten im Bereich Geldwäsche gehandelt haben bzw. handeln.
Ausblick: Der Ausschuss soll aus 65 Mitgliedern bestehen. Die Mitglieder sollen aus dem Ausschuss gegen Steuervermeidung (TAXE), dem Rechtsausschuss (JURI), dem Ausschuss für Inneres (LIBE) sowie dem Entwicklungsausschuss (DEVE) kommen und die Struktur des TAXE2-Ausschusses übernehmen. Die Untersuchungen sollen im Juli aufgenommen werden und zwölf Monate dauern. Am Ende wird der Ausschuss einen Bericht zu den Untersuchungsergebnissen und den daraus zu ziehenden Konsequenzen vorlegen.
Verordnung; Debatte Mittwoch, 08.06.2016 ab 15 Uhr; Abstimmung Donnerstag, 09.6.2016, ab 12 Uhr
Hintergrund: Zwölf Millionen EU-Bürger leben nicht in ihrem Heimatland, sondern in einem anderen EU-Mitgliedstaat. Früher oder später benötigen zahlreiche Bürger dort beispielsweise eine Geburts- oder Heiratsurkunde, ein polizeiliches Führungszeugnis oder eine Meldebescheinigung. Sei es für die Beantragung eines Ausweises, bei beruflichen Bewerbungen oder der Eheschließung. Bisher waren häufig teure beglaubigte Übersetzungen von amtlichen Dokumenten notwendig, damit diese im EU-Ausland anerkannt werden. Dazu gehört auch die sogenannte Legalisation oder die Apostille, die Bestätigung der Echtheit einer ausländischen öffentlichen Urkunde durch den Konsularbeamten des Staates, in dem die Urkunde verwendet werden soll. Dies gehört bald der Vergangenheit an.
Die Europäische Kommission hat 2013 einen Vorschlag für die Vereinfachung der Annahme von bestimmten öffentlichen Urkunden innerhalb der EU vorgelegt. Europäisches Parlament und Rat der EU haben sich jetzt nach intensiven Verhandlungen auf einen Text geeinigt, der am Donnerstag, 9. Juni 2016, in Straßburg von den Europaabgeordneten endgültig verabschiedet werden soll und die Mobilität von EU-Bürgerinnen und Bürgern erhöht. Heirats- und Geburtsurkunden oder polizeiliche Führungszeugnisse werden zukünftig ohne beglaubigte Übersetzung der Form nach anerkannt. Stattdessen können EU-Bürger zusätzlich zum Dokument mehrsprachige Standardformulare anfordern, die sie im EU-Ausland verwenden können. Das verkürzt die Verwaltungsverfahren zur Anerkennung von öffentlichen Dokumenten und spart somit Zeit und Geld.
EP-Position: Die Europaparlamentarier begrüßen das erzielte Verhandlungsergebnis zwischen Europaparlament und Rat der EU. Die sozialdemokratische Verhandlungsführerin konnte unter anderem durchsetzen, dass die Kosten für die standardisierten mehrsprachigen Formulare gedeckelt werden. Unverhältnismäßig teure Übersetzungskosten für öffentliche Dokumente gehören somit der Vergangenheit an. EU-Kommission und Mitgliedstaaten werden im Text der Verordnung dazu verpflichtet, die EU-Bürger über diese neue Möglichkeit zu informieren. Die Europaparlamentarier bekamen außerdem die Garantie, dass die EU-Kommission nach zwei Jahren konkrete Vorschläge für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs vorlegen wird.
SPD-Position: Die Mobilität von Bürgern, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat leben, studieren oder arbeiten wird deutlich erleichtert. Dafür sich die Europa-SPD eingesetzt. Die Behördengänge werden zukünftig weniger, kürzer und preiswerter. Dies ist aber nur der erste Schritt auf dem Weg zu einem europaweit einheitlichen Umgang mit öffentlichen Dokumenten. Die Europa-SPD bedauert, dass das neue Verfahren noch nicht für Schulzeugnisse oder Behindertenausweise gilt und es für Drittstaatsangehörige keine automatische Anerkennung des Einwanderungsstatus gibt, wie von den Sozialdemokraten in erster Lesung gefordert.
Ausblick: Nach der Abstimmung im Europäischen Parlament tritt die Verordnung 20 Tage nach Veröffentlichung in den offiziellen Amtsblättern der EU in Kraft. Eine Überprüfungsklausel in der Verordnung wird ermöglichen, die Liste der anerkannten öffentlichen Dokumente auszuweiten, zum Beispiel im Bereich Bildung und Wirtschaft.
Richtlinie; Debatte am Dienstag, 07.06.2016 ab 9 Uhr; Abstimmung am Mittwoch, 08.06.2016, ab 12.30 Uhr
Hintergrund: Laut Kommission gehen den Mitgliedstaaten der EU durch die Steuervermeidung internationaler Konzerne jedes Jahr zwischen 50 und 70 Milliarden Euro verloren. Im Januar 2016 reagierte die EU-Kommission mit einem Aktionspaket gegen Steuervermeidungspraktiken von multinationalen Unternehmen. Teil dieses Pakets ist die Richtlinie des Rates zur Bekämpfung von Steuervermeidung. Diese Richtlinie zielt auf die Schließung verschiedener Steuerschlupflöcher ab, die durch unterschiedliche nationale Steuersysteme, verfälschte interne Verrechnungspreise sowie Vermögensverlagerung, entstehen. Zum Beispiel sollen Auslandsgewinne und Vermögensverlagerungen in Niedrig-Steuerländer versteuert oder die steuerliche Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen begrenzt werden.
SPD-Position: Unter den SPD-Forderungen für die Nachbesserung dieser Richtlinie waren unter anderem eine Definition für Betriebsstätten, die Forderung nach festen Regeln für Verrechnungspreise und Steueroasen, auch innerhalb der EU sowie eine Senkung der Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen von 30 Prozent auf 10 Prozent. Diese Änderungen sollten dazu beitragen, dem Ort der Gewinnerwirtschaftung Rechnung zu tragen, indem Wege für Gewinnverschiebung geschlossen werden. Durch eine Koordinierung von Regeln innerhalb der EU sollen die Unstimmigkeiten zwischen den nationalen Rechtssystemen reduziert und somit deren Nutzung für Steuersparzwecke eliminiert werden.
EP-Position: Der Wirtschafts- und Währungsausschuss hat am 24. Mai über seine Position zur Nachbesserungen des Richtlinienvorschlags der EU-Kommission abgestimmt. Die Nachbesserung enthält unter anderem eine eindeutige Definition für Betriebstätten, damit diese zum Steuersparen nicht mehr einfach künstlich dahin verlagert werden können, wo eigentlich keine wirtschaftliche Tätigkeit stattfindet. Zudem will der Wirtschaftsausschuss bei der Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage von Unternehmen eine Absenkung der Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen von 30 auf 20 Prozent sowie die Einbeziehung von ausländischem Einkommen, sollte dieses im Ausland mit weniger als 15 Prozent besteuert worden sein.
Ausblick: Für Steuerfragen sind die Mitgliedstaaten zuständig. Voraussichtlich am Freitag, 17. Juni werden die EU-Finanzminister über den Vorschlag der Kommission entscheiden. Die jetzt zur Diskussion stehenden Maßnahmen können das Problem der Gewinnverschiebung zwar mildern, aber nicht lösen. Um einer Problemlösung entscheidend näher zu kommen, muss eine gemeinsame konsolidierte Grundlage zur Bemessung der Körperschaftssteuer eingeführt werden. Dann könnten die Unternehmensgewinne endlich transparent nach Wertschöpfung auf die einzelnen Länder aufgeteilt und versteuert werden. Ein Vorschlag dazu wird die EU-Kommission Ende 2016 vorlegen.
Initiativbericht; Debatte am Montag, 06.06.2016 ab 17 Uhr, Abstimmung am Dienstag, 07.06.2016, ab 12.30 Uhr
Hintergrund: Auf der ganzen Welt gerät die landwirtschaftliche Produktion durch die sinkende Verfügbarkeit von Ackerboden, Umweltschäden, Wasserknappheit, einer steigenden Nachfrage nach Energie und der Erosion von Böden unter Druck. Technische Innovationen können dazu beitragen, der Landwirtschaft zu mehr Produktivität und Nachhaltigkeit zu verhelfen. Einerseits identifiziert der Bericht innovative Potentiale zugunsten einer nachhaltigen und effizienten Landwirtschaft und Wege, deren Vermarktung und Umsetzung zu forcieren. Andererseits spricht sich der Entschließungsantrag auch für einen verstärkten Pestizideinsatz und neue Züchtungsmethoden für Pflanzen und Tiere aus, dessen rechtlicher Status bisher noch unklar ist.
EP-Position: Der Bericht wurde im federführenden Agrarausschuss kontrovers diskutiert. Die Mehrheit der Europaabgeordneten hat sich dabei für den verstärkten Einsatz der Präzisionslandwirtschaft eingesetzt. Dabei werden beispielsweise GPS und Computermodelle bei der Bewirtschaftung genutzt. Der Bericht fordert allerdings auch die Förderung von neuen Züchtungsmethoden (NZM) bei Pflanzen und Tieren, um beispielsweise widerstandsfähigere und gesundheitsfördernde Sorten auf dem Markt zu bringen. Darunter versteht man vielzählige molekularbiologische Techniken, die das Erbgut auf natürliche Weise verändern können. Ob diese Organismen dann als genverändert gelten würden, ist umstritten. Zudem stimmte die Mehrheit im Ausschuss für ein beschleunigtes Zulassungsverfahren für Pestizide mit geringer Toxizität.
SPD-Position:Die SPD-Europaabgeordneten werden den Bericht aufgrund einer Reihe von Aspekten nicht unterstützen. Den Einsatz von neuen Züchtungsmethoden sehen wir äußerst kritisch, da ihr rechtlicher Status bisher nicht geklärt ist. Offen bleibt daher auch, ob diese NZM unter die Verordnung zu Gentechnisch veränderten Organismen (GVO) fallen. Die EU-Kommission prüft NZM seit 2007 – die entsprechende Arbeitsgruppe will ihre Ergebnisse in diesem Jahr veröffentlichen. Bevor der rechtliche Status dieser Methoden ungeklärt ist, sollte das Europäische Parlament deren Erprobung und Anwendung nicht weiter fördern und Organismen aus NZM mit ungeklärtem Rechtsstatus nicht zulassen. Bei der Nutzung von NZM bei Tieren handelt es sich oft um gentechnische Methoden, die die Wachstumsraten der Tiere beeinflussen sollen. Die EU-Kommission und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) haben nachgewiesen, dass diese Techniken in der Regel negative Folgen auf das Wohlbefinden der Tiere haben. Die Europa-SPD ist der Meinung, dass die potentiellen Vorteile von NZM bei Tieren auch durch konventionelle Züchtung erreicht werden können. Die SPD-Europaabgeordneten setzen sich auch gegen ein beschleunigtes europäisches Zulassungsverfahren für Pestizide mit geringer Toxizität ein. Denn alle Pestizide müssen gründlich nach den europäischen Vorgaben geprüft werden.
Ausblick: Der Entschließungsantrag fordert die EU-Kommission auf, tätig zu werden. Die EU-Kommission wird im Anschluss die Vorschläge evaluieren und gegebenenfalls Initiativen oder Gesetzesvorschläge vorbereiten.
Initiativbericht; Debatte am Montag, 06.06.2016, ab 17 Uhr; Abstimmung am Dienstag, 07.06.2016, ab 12.30 Uhr
Hintergrund: Der Bericht setzt sich für verbindliche Regelungen ein, um kleine Lebensmittelerzeuger und Einzelhändler besser vor unlauteren Praktiken ihrer mitunter deutlich stärkeren Handelspartner wie etwa Supermarktketten zu schützen. Durch die verstärkte Marktkonzentration bestimmter Erzeuger kommt es zu sehr unterschiedlichen Verhandlungspositionen entlang der Versorgungskette. Solche asymmetrische Verhandlungspositionen sind in der Wirtschaft zwar legitim, aber können in manchen Fällen zu unfairen Handelspraktiken führen. Sie betreffen auch die Verbraucher, denn Qualität und Preis der Produkte hängen maßgeblich von den beteiligten Akteuren in der Wertschöpfungskette ab.
EP-Position: Im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz wurde der Bericht zu "Unlauteren Handelspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette“ am 21. April angenommen. Dabei fand er eine Mehrheit von 39 Stimmen, zwei Enthaltungen und keinen Gegenstimmen.
SPD-Position: Die Sozialdemokraten sind mit dem Kompromissentwurf zufrieden, denn die Mitteilung der EU-Kommission schlug eingangs lediglich einen Rahmen zur Selbstregulierung vor. Konservative (EVP) und Liberale (ALDE) beharren zunächst auch darauf, diesen beizubehalten. In seiner derzeitigen Fassung ist der Text stark von den Positionen der sozialdemokratischen Schattenberichterstatterin beeinflusst. Es wird klar aufgezeigt, dass sich unlautere Handelspraktiken des stärkeren Marktteilnehmers negativ auf die gesamte Lebensmittelversorgungskette – auch auf die Beschäftigungsverhältnisse – auswirken. Außerdem werden die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher sowie die Qualität, Vielfalt und der Innovationsgehalt der verfügbaren Produkte eingeschränkt. Deswegen ist eine Regelung auf EU-Ebene notwendig.
Ausblick: Wenn das Europäische Parlament den Bericht mit Mehrheit annimmt, richtet sich dieser nicht-legislative Initiativbericht mit sofortiger Wirkung an die EU-Kommission.
Resolution; Debatte Donnerstag, 09.06.2016, ab 9 Uhr; Abstimmung Donnerstag, 09.06.2016, ab 12 Uhr
Hintergrund: Die europäische Bahnindustrie – Hersteller von Zügen, Komponenten, Bahn- und Signaltechnik, Infrastruktur – beschäftigt 400.000 Menschen in Europa. Mit knapp 46 Prozent Marktanteil ist sie Weltmarktführer. Jedoch ist diese Stellung stark bedroht. Anbieter aus Drittstaaten expandieren weltweit aggressiv und mit staatlicher Unterstützung. 2015 entstand durch den Zusammenschluss von zwei chinesischen Konzernen der mit Abstand größte Schienentechnikhersteller der Welt. Entwicklungen, wie die Bombardier-Ankündigung, unter anderem 1430 Stellen in Deutschland und 1350 Jobs in Großbritannien zu streichen, sind ein deutliches Warnsignal.
EP-Position: Die EU-Kommission weigert sich beharrlich, eine industriepolitische Strategie zu entwickeln – sowohl grundsätzlich als auch im Zusammenhang mit bedeutenden Branchen. Mit dieser Entschließung macht das EU-Parlament auf diesen eklatanten Mangel aufmerksam. Die Abgeordneten schlagen konkrete Maßnahmen vor, die zu einem verbesserten Marktumfeld für die Bahnindustrie beitragen und so Wachstum und Jobs sichern.
SPD-Position: Der EU fehlt eine kohärente Industriepolitik, die den Weg zu einer Wiederbelebung der europäischen Industrie vorzeichnet und die Rolle strategischer Industriebranchen definiert. Bei der europäischen Stahlindustrie wurde versäumt, rechtzeitig die richtigen Rahmenbedingungen für Industriewachstum und Jobsicherung zu setzen. Sie befindet sich in einer existenzbedrohenden Krise. Diesen Fehler müssen wir bei der Bahnbranche vermeiden. Aus einer Position der Stärke heraus müssen rasch die richtigen Weichen gestellt werden. In diesem Kontext konzentriert sich die Entschließung auf die Themenfelder Forschung und Entwicklung – insbesondere die Digitalisierung, die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen, der bessere Zugang zu Finanzen und Märkten sowie die Bewältigung des Fachkräftemangels.
Ausblick: Die Entschließung soll zu einer Bahnindustriestrategie der EU beitragen. In den nächsten Monaten muss genauestens auf die Umsetzung der vorgeschlagen Maßnahmen durch die Kommission geachtet werden. Denn die Maßnahmen können ein entscheidender Faktor für Industriewachstum, Jobs und Innovationskraft in der europäischen Bahnindustrie sein.