
Debatte im Plenum am Mittwoch, 14.9.2016, ab 9 Uhr
Hintergrund: Wieder muss sich die Plenardebatte über die Lage der Europäischen Union mit zahlreichen Krisen und Herausforderungen auseinandersetzen: das Brexit-Votum, die Lage der Flüchtenden an Europas Außengrenzen, hohe Arbeitslosigkeit und lahmendes Wachstum – insbesondere im Süden der Union – sowie die akute Gefahr terroristischer Anschläge in Europa. Ebenso wird sich das Plenum des Europaparlaments in einer gesonderten Sitzung mit der Lage im Krisenland Griechenland beschäftigen, wo die wirtschaftliche und soziale Lage weiterhin angespannt bleibt und das laufende Hilfsprogramm erneut ins Stocken zu geraten droht. Von Kommissionpräsident Junckers Rede werden klare Fingerzeige erwartet, die Aufschluss darüber bieten, wie sich die EU-Kommission im kommenden Jahr diesen Herausforderungen zu stellen gedenkt.
EP-Position: Alle im Europäischen Parlament vertretenen Fraktionen stimmen darüber ein, dass sich Europa angesichts der gegenwärtigen prekären Lage des Einigungswerks hinterfragen muss. Mit Ausnahme europa-skeptischer Fraktionen und Abgeordneter plädiert das Parlament für eine rasche Renovierung des sprichwörtlichen europäischen Hauses. Obwohl unter den Fraktionen unterschiedliche Rezepte diskutiert werden, ist den Vorschlägen gemein, dass sie die Handlungsfähigkeit und demokratische Legitimität Europas stärken wollen. Dies ist Voraussetzung dafür, dass die EU ihre Herausforderungen bewältigen und Anker für die Hoffnungen ihrer Bürgerinnen und Bürger werden kann.
SPD-Position: Die Europäische Union benötigt einen entschiedenen Politikwechsel, um an ihren multiplen Krisen und Herausforderungen nicht zu zerbrechen. Dabei müssen eine Überwindung überkommener Dogmen in der Fiskalpolitik und die Schaffung von Wachstum und Arbeitsplätzen im Vordergrund stehen, gerade in Krisenstaaten wie Griechenland. Denn Ereignisse wie das Brexit-Votum zeigen, dass viele Bürgerinnen und Bürger Europa nicht mehr als Garant für eine bessere Zukunft sehen. Von der Europäischen Kommission wird nun erwartet, dass sie einen klaren Kurs vorgibt. Denn derzeit bietet sich nationalen Egoismen und Alleingängen zu viel Spielraum, den es im Sinne eines solidarischen und handlungsfähigen Europas zu begrenzen gilt. Solche Klarheit wird von der Kommission nicht zuletzt in anstehenden Verhandlungen in Fragen der Flüchtlingspolitik und den Austrittsverhandlungen mit dem Vereinigten Königreich erwartet.
Ausblick: Die Plenardebatte zur Lage der Union liefert den Auftakt einer Vielzahl entscheidender Aussprachen und Verhandlungen zur Zukunft der Europäischen Union, die im kommenden Herbst stattfinden werden. Neben dem Europäischen Parlament wird auch der Europäische Rat im Rahmen einer informellen Debatte – ohne Großbritannien – über die Zukunft der Union beraten – und zwar am Donnerstag, 15. September sowie am Freitag, 16. September. Hiervon werden entscheidende Signale erwartet, aus denen sich auch institutionelle Veränderungen für die EU ergeben könnten.
Beschluss der EU-Kommission am Dienstag, 13.09.2016
Hintergrund: In vielen Teilen Europas stockt das Wachstum, Arbeitslosigkeit und Schuldenberge sind hoch. Um diese Herausforderung anzugehen, präsentierte die EU-Kommission auf Drängen der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament im November 2014 eine Investitionsoffensive. Ein Teil davon war der Europäische Fonds für Strategische Investitionen, welcher seit vergangenem Sommer läuft (EFSI). Um diesen zielgerichteter ausgestalten und notwendige Anpassungen vornehmen zu können, wurde der Fonds zunächst mit einer befristeten Laufzeit versehen, an deren Ende eine Evaluation und gegebenenfalls eine Verlängerung stehen sollte. Die EU-Kommission hat mittlerweile angekündigt, die Arbeit des Fonds verstetigen zu wollen und in der kommenden Straßburg-Woche im September ihren Gesetzgebungsvorschlag zur Verlängerung des Investitionsfonds zu beschließen.
EP-Position: Im vergangenen Jahr hat das Europäische Parlament die Verordnung zum Europäischen Fonds für Strategische Investitionen mit großer Mehrheit verabschiedet. Vorangegangen waren monatelange Verhandlungen, in denen das Europäische Parlament den Kommissionsvorschlag in entscheidenden Punkten nachgebessert hat. So konnten die Parlamentarier durchsetzen, dass der Fonds in nachhaltige Projekte wie den Breitbandausbau, Energieeffizienz und die Transportinfrastruktur investiert, um die europäische Wirtschaft zukunftsfähig zu machen und Jobs zu schaffen. Da in der Umsetzung Probleme offenbar geworden sind, erwarten die Parlamentarier, dass zur Erreichung dieser Ziele im neuen Gesetzgebungsvorschlag noch einmal nachgebessert wird.
SPD-Position: Die Europa-SPD begrüßt, dass die EU-Kommission den Europäischen Investitionsfonds verstetigen will. Gegen Mitgliedstaaten und einige Fraktionen im Parlament haben die Sozialdemokraten verhindert, den Fonds mit einem Verfallsdatum zu versehen. Das war ein großer Erfolg im Kampf gegen einseitige Kürzungspolitik in Europa.
Erste Erfahrungen mit der Umsetzung des Investitionsfonds zeigen jedoch, dass EFSI noch nicht das Investitionsinstrument ist, das uns vorschwebte, sondern dass die Europäische Investitionsbank es lediglich als ein weiteres Finanzierungsinstrument unter ihrem eigenen Dach integriert hat. Daher erwarten wir im Text der EU-Kommission konkrete Vorschläge, wie unter anderem die Projektauswahl verbessert werden kann, wie wirklich innovative Projektbetreiber durch EFSI erreicht werden können, wie regionale Akteure in diesem Prozess besser integriert werden können – um nur einige Beispiele zu nennen. Der Haushaltsausschuss diskutiert, Mittel für die Garantiezahlungen in die Reserve zu stellen, um diesen Forderungen mehr Nachdruck zu verleihen.
Ausblick: Nach derzeitigen Informationen wird der Verlängerungsvorschlag der Europäischen Kommission im Ordentlichen Gesetzgebungsverfahren mit Parlament und Rat behandelt. Der Zeitplan im Europäischen Parlament wird maßgeblich von der Substanz des Kommissionsvorschlages abhängen. Bis wann die EU-Kommission den EFSI verlängern möchte, wird sich mit ihrer Vorlage entscheiden.
Resolution; Debatte im Plenum am Dienstag, 13.09.2016, ab 15 Uhr
Hintergrund: Die Einschränkungen des polnischen Verfassungsgerichts durch Regierung und Parlament sind eine ernsthafte Gefahr für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechte in Polen. Da die Gespräche mit Warschau im Rahmen des so genannten EU-Rechtsstaatsmechanismus nicht zum Einlenken der polnischen Regierung führten, hatte die EU-Kommission Anfang Juni eine formale Stellungnahme verabschiedet, in der sie die Bedenken zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in Polen dezidiert darlegte. Das polnische Parlament verabschiedete daraufhin am 22. Juli ein neues Verfassungsgerichtsgesetz. Die Europäische Kommission erklärte am 27. Juli jedoch, dass das neue Gesetz die Bedenken nur zum Teil ausräumt. Sie hat daher die zweite Stufe des EU-Rechtstaatsmechanismus aktiviert und konkrete Empfehlungen an Polens Regierung gerichtet, die nun bis Ende Oktober umgesetzt werden müssen.
EP-Position: Das Europäische Parlament steht mit großer Mehrheit hinter der polnischen Zivilgesellschaft und dem Vorgehen der Europäischen Kommission. Das Thema Rechtstaatlichkeit in Polen steht auf der Tagesordnung der Plenarsitzung in Straßburg. Vertreter von Rat und Kommission werden eine Stellungnahme abgeben und mit den Europaabgeordneten die aktuelle Lage diskutieren. Das Parlament wird seine Position zudem in einer Resolution klarstellen.
SPD-Position: Demokratie und Rechtstaatlichkeit sind das Fundament unserer gemeinsamen europäischen Wertegemeinschaft. Eine gezielte Beschneidung dieser Werte durch eine Einschränkung der Unabhängigkeit der Justiz ist inakzeptabel. Hunderttausende polnische Demonstranten haben diese Haltung mehrfach in Warschau zum Ausdruck gebracht. Die Europa-SPD unterstützt daher das Vorgehen der Zivilgesellschaft und der Europäischen Kommission sowie die Aktivierung der zweiten Stufe des Rechtsstaatsmechanismus. Polens Regierung muss diese Warnung der EU-Kommission endlich ernst nehmen und beim Verfassungsgerichtsgesetz nachbessern, um die Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit im Land zu beenden.
Ausblick: Ergreift die polnische Regierung bis Ablauf der Frist Ende Oktober keine zufriedenstellenden Maßnahmen, kann die EU-Kommission prüfen, ein Verfahren nach Artikel 7 einzuleiten.
Debatte Dienstag, 13.09.2016, ab 15 Uhr; Abstimmung Mittwoch, 14.9.2016, ab 12 Uhr
Hintergrund: Das sogenannte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreement) soll die Handelsbeziehungen zwischen der EU und sechs Staaten des südlichen Afrikas regeln: Südafrika, Botswana, Lesotho, Mosambik, Namibia und Swasiland. Die langjährigen Verhandlungen endeten im Juli 2014. Mittlerweile haben alle Regierungen sowie die Parlamente der Region das Abkommen unterschrieben beziehungsweise ratifiziert. Am Mittwoch in Straßburg wird nun das Europäische Parlament entscheiden. Das Abkommen soll Handelsschranken zwischen dem südlichen Afrika und der Europäischen Union abbauen. Über ein gesteigertes Wirtschaftswachstum sollen so Arbeitsplätze bei beiden Partnern entstehen. Es handelt sich allerdings um eine sogenannte asymmetrische Liberalisierung. Das heißt, dass das südliche Afrika in einem Zeitraum von zwölf Jahren 80 Prozent seines Marktes für Europäische Produkte öffnen muss. Die Europäische Union hingegen öffnet ihren Markt zu 100 Prozent. Die EU gewährt den afrikanischen Staaten also stärker freien Zugang zu ihrem Markt als umgekehrt. Dadurch sollen Ungleichgewichte zwischen den Handelspartnern ausgeglichen werden, so dass beide Seiten von Marktöffnungen profitieren, die afrikanischen Länder aber Bereiche ausschließen können, wo ansonsten Nachteil für heimische Anbieter oder Abnehmer entstehen könnten. Das Abkommen enthält Schutzklauseln, die den afrikanischen Partnern die Möglichkeit einräumen, besonders sensible Produkte vor europäischen Importen zu schützen.
SPD- Position: Trotz Schutzmaßnahmen birgt das Abkommen die Gefahr, dass günstige europäische Produkte die Märkte des südlichen Afrikas überschwemmen und lokale Industrien sowie die Landwirtschaft geschädigt werden. Die Implementierung des Abkommens muss deshalb durch zivilgesellschaftliche Monitoring-Prozesse begleitet werden. In diesen müssen regionale und lokale Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände sowie Nichtregierungsorganisationen vertreten sein. Nur mit Hilfe solcher Beobachtungsstrukturen kann bei negativen Auswirkungen des Abkommens ein frühzeitiger Alarm ausgelöst werden sodass Handelsschranken zum Schutz sensibler Produkte aktiviert werden können.
Ausblick: Nach der Ratifizierung des Europäischen Parlaments und der Parlamente in Südafrika, Botswana, Lesotho, Mosambik, Namibia und Swasiland wird die Implementierung beginnen. Durch die verlangsamte Liberalisierung wird sich der Prozess voraussichtlich über zwölf Jahre hinziehen.
Hintergrund: Nach dem Brexit-Votum zog der bisherige britische Finanz-Kommissar der EU, Jonathan Hill, die politischen Konsequenzen und trat zurück. Die EU-Verträge legen allerdings fest, dass jedes Mitgliedsland einen Kommissar nach Brüssel schickt – solange das Vereinigte Königreich ein Teil der EU ist, wird es einen britischen Kommissar geben. Am 2. August benannte die Kommission den Briten Julian King als neuen Kommissar – mit einem neuen Portfolio: der sogenannten Sicherheitsunion. Das Thema innere Sicherheit liegt derzeit noch im Verantwortungsbereich des EU-Kommissars Dimitris Avramopoulos. Julian King soll auch in Zukunft eng mit diesem zusammenarbeiten. Um die enge Verzahnung mit anderen Politikbereichen zu gewährleisten, wird dem designierten Kommissar in der EU-Kommission keine eigene Generaldirektion zur Seite gestellt, sondern eine Experten-Taskforce, die sich aus verschiedenen Generaldirektionen rekrutiert. Julian King wird vom Rat nach Anhörung des EU-Parlaments ernannt. Zu diesem Zweck wird ihn der fachlich zuständige Innenausschuss des Parlaments am Montagabend in Straßburg befragen. Anschließend werden die Obleute, auf sozialdemokratischer Seite durch Birgit Sippel vertreten, am Dienstag eine Empfehlung aussprechen. Die Bestätigung im Plenum wird voraussichtlich in derselben Woche erfolgen.
SPD-Position: Sicherheit und Freiheit sind zwei elementare Bestandteile einer demokratischen Gesellschaft. Gute Sicherheitspolitik setzt den Respekt bürgerlicher Grundrechte voraus – gerade in Zeiten terroristischer Bedrohung. Diesen Grundsatz muss der Sicherheitskommissar Julia King zum Leitbild seines Handels machen – andernfalls drohen symbolische Aktionen ohne realen Mehrwert. Die bestehenden Lücken in der europäischen Sicherheitsarchitektur beruhen in erster Linie nicht auf einem Mangel an EU-Gesetzgebung, sondern an unzureichender Umsetzung durch die Mitgliedstaaten oder mangelnder Zusammenarbeit. Beispielweise haben bis heute nicht alle EU-Staaten den so genannten Prümer Vertrag von 2005 zum Austausch von DNA- und Fahrzeugdaten umgesetzt – eine fatale Bilanz angesichts der grenzüberschreitend operierenden organisierten Kriminalität und des Terrorismus. Es reicht nicht, wenn Mitgliedstaaten medienwirksam auf immer neue Sicherheitsmaßnahmen auf europäischer Ebene drängen – dann aber in der Umsetzung eben jener Gesetze kläglich versagen. Ein eigener EU-Kommissar, der Druck bei der Implementierung von beschlossenen Sicherheitsregeln macht und Mitgliedstaaten notfalls auch vor dem Europäischen Gerichtshof bringt, kann deshalb einen europäischen Mehrwert bieten – sofern er politischen Mut aufbringt. Die SPD-Angeordneten werden in der Anhörung am Montagabend die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, Julian King auf Herz und Nieren und besonders auf diese Punkte hin zu prüfen.
Ausblick: Die Amtszeit läuft laut EU-Verträgen bis zur kommenden Europawahl 2019 oder bis zu einem etwaigen Brexit.
Initiativbericht; Debatte am Dienstag, 13.09.2016, ab 15 Uhr; Abstimmung am
Hintergrund: Der Wettbewerb um die billigsten Arbeitskräfte spielt heimische gegen entsandte Arbeitnehmer aus – dadurch werden nationale Ressentiments und Protektionismus geschürt. Beim Kampf um das europäische Sozialmodell führt der mangelnde Ehrgeiz der EU-Kommission und einiger Mitgliedstaaten zu einer Ausweitung des Sozialdumpings, des unfairen Wettbewerbs und der Marktverzerrungen. Die organisierte Ausbeutung von Arbeitern durch die Umgehung von Arbeitsstandards und Sozialversicherungsabgaben macht dabei vor keiner Grenze halt und findet sich in sämtlichen Sektoren, wie etwa der Fleischverarbeitung, auf dem Bau, im Cockpit oder im Lastkraftwagenverkehr wieder
EP-Position: Der Bericht gegen Sozialdumping aus der Feder des französischen Sozialdemokraten Guillaume Balas wurde im Ausschuss für Beschäftigung und Soziales des Europäischen Parlaments (EMPL) nach schwierigen Kompromissverhandlungen mit großer Mehrheit angenommen. Gerade im Hinblick auf die von der EU-Kommission bestätigte Revision der Entsenderichtlinie offenbarte der Initiativbericht Unterschiede zum konservativen Lager. Fundamentale rechtliche Unklarheiten im Text der Entsenderichtlinie und ihrer Umsetzung in den EU-Staaten werden hier verkannt und allein auf das Problem mangelhafter Kontrolle reduziert.
SPD-Position: Für die effektive Bekämpfung von Sozialdumping sind einerseits europaweite faire Regeln nötig. Andererseits muss es schärfere Sanktionen gegen Unternehmen geben, die gerade bei der Entsendung von Arbeitnehmern die Vorschriften nicht einhalten. Auf Drängen der Sozialdemokraten fordert der Beschäftigungsausschuss in seinem Bericht Reformen bei der Erfassung von Arbeitsleistungen und eine verstärkte Bekämpfung von sogenannten Briefkastenfirmen. Gleichwertige Arbeit, gleiche Rechte und fairer Wettbewerb – das müssen die Hauptanliegen eines gut funktionierenden Binnenmarkts sein, um nicht nur die Arbeitnehmer, sondern auch die kleinen und mittleren Unternehmen zu schützen, die in Europa die wichtigste Quelle von Arbeitsplätzen sind. Die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament fordern zudem, bei der Überarbeitung der Entsenderichtlinie das Prinzip ‚Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort‘ gesetzlich festzuschreiben und ein vorbehaltloses System der Solidarhaftung für die gesamte Kette von Unterauftragnehmern einzuführen, das alle Wirtschaftssektoren umfasst.
Ausblick: Wird der Bericht angenommen, verabschiedet das Parlament zum ersten Mal einen umfassenden Report über Sozialdumping in Europa und setzt so die EU-Kommission unter Druck, weitere Reformen vorzulegen. Der Anstieg von Schwarzarbeit, Scheinselbständigkeit und Unterauftragsvergabe führt zunehmend zu prekären Arbeitsverhältnissen und einer Verschlechterung des Arbeitnehmerschutzes. Allerdings bleibt es fraglich, ob die Resolution in der vorliegenden Form angenommen wird, da es gerade bei zentralen Punkten zur Neuregelung der Entsenderichtlinie keinen Konsens mit der konservativen und wirtschaftsliberalen Seite gibt.
Initiativbericht; Debatte am Montag, 12.09.2016, ab 17 Uhr; Abstimmung am Dienstag, 13.09.2016, ab 12.30 Uhr
Hintergrund: Auf dem EU-Afrika-Gipfel in Maltas Hauptstadt Valletta hatten die Staats- und Regierungschefs im November 2015 den Notfall-Treuhandfonds der Europäischen Union für Afrika beschlossen, um Fluchtursachen zu bekämpfen. Die Zielländer liegen in der Sahel-Region, der Region um den Tschad-See, dem Horn von Afrika sowie in Nordafrika. Die Stabilisierung der Länder soll vor allem der irregulären Migration aus diesen Staaten entgegenwirken. Dabei werden folgende Projekte unterstützt: Mit Wirtschaftsprogrammen sollen Arbeitsplätze, insbesondere für junge Menschen und Frauen in lokalen Gemeinschaften geschaffen werden. Projekte zur Förderung von grundlegenden Dienstleistungen für die lokale Bevölkerung zielen auf Ernährungssicherheit, Gesundheit, Bildung und sozialen Schutz ab. Darüber hinaus soll durch verbesserte Grenzsicherung Migration gesteuert werden, also irreguläre Migration verhindert und Menschenhandel bekämpft werden. Der Fonds wird zum Großteil aus dem Europäischen Entwicklungsfonds finanziert sowie durch andere Instrumente aus dem EU-Haushalt. Diese Summe beträgt insgesamt 1,8 Milliarden Euro. Zudem sollen die EU-Staaten insgesamt ebenfalls 1,8 Milliarden Euro beitragen. Bisher beläuft sich der Beitrag aus den Mitgliedstaaten auf insgesamt 81 Millionen Euro.
EP-Position: Das Europäische Parlament begrüßt grundsätzlich die Absicht der EU-Kommission, Mittel in Notsituationen schneller und flexibler auszuzahlen und verschiedene Finanzierungsquellen miteinander zu verknüpfen. Gleichzeitig ist kontraproduktiv, dass Mittel, die ursprünglich für andere Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit vorgesehen waren, in den Fonds umgelenkt werden. Das Parlament sieht dadurch langfristige Projekte und Strategien gefährdet. Finanzierungsinstrumente außerhalb des EU-Haushaltes zu schaffen, muss eine absolute Ausnahme bleiben. Denn dadurch wird die Haushaltsbehörde des direkt gewählten Parlaments umgangen. Das Parlament kritisiert, dass die EU-Mitgliedstaaten die Summe von 1,8 Milliarden Euro noch nicht bereitgestellt haben.
SPD-Position: Aus sozialdemokratischer Sicht müssen Gelder, die für Entwicklungspolitik vorgesehen sind, auch für diesen Zweck eingesetzt werden. Nur so ist eine wirkungsvolle Unterstützung von Armutsbekämpfung und Staatsversagen und damit von Fluchtursachen möglich. Die Finanzierung von Grenzschutz aus Entwicklungsgeldern verbessert die Lage vor Ort nicht, im Gegenteil: Menschen, die versuchen, sich aus einer menschenunwürdigen oder lebensbedrohlichen Situation zu befreien, werden gezwungen, in dieser Situation zu bleiben. Dies ist nicht Ziel des entwicklungspolitischen Ansatzes. Entwicklungspolitik kann sinnvollerweise nur mit parlamentarischer Kontrolle über das Budget stattfinden. Aus diesem Grund fordern die Sozialdemokraten die Eingliederung des derzeit externen Europäischen Entwicklungsfonds in den EU-Haushalt. Die Finanzierung von Projekten über den Treuhandfond statt der auf fünf Jahre angelegten, nationalen Indikationsprogramme, darf nicht dazu führen, dass langfristig angelegte Projekte, die eine echte Entwicklung ermöglichen, zugunsten kurzfristiger Programme gefährdet werden.
Ausblick: Bereits im Dezember 2016 sind Verträge zu ersten Projekten finanziert aus dem Treuhandfonds unterzeichnet worden. Der Gesamtwert belief sich dabei auf fast 300 Millionen Euro. Ein erfolgreich abgestimmter Initiativbericht würde die EU-Kommission unter Druck setzen, das demokratisch gewählte Europaparlament in die weitere Ausgestaltung und Kontrolle des Fonds einzubeziehen.