Aktuelle Plenarwoche in Straßburg

Bild: European Union

Wohin steuert Europa? 60 Jahre Römische Verträge Schlüsseldebatte am Mittwoch, 15.3.2017, ab 9 Uhr; Treffen der Staats- und Regierungschefs am Samstag, 25.3.2017 in Rom

Hintergrund: Der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union sowie anti-europäische Ressentiments in weiteren Mitgliedstaaten setzen die EU unter Druck. Gleichzeitig wächst die Bedeutung der europäischen Zusammenarbeit durch die Trump-Wahl und die fortschreitende Globalisierung. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wohin die EU steuert. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat hierzu vergangene Woche in einem Weißbuch fünf mögliche Szenarien vorgestellt. Sie reichen von der Minimallösung – einer Reduzierung auf den europäischen Binnenmarkt – über ein „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“ bis hin zu einer vertieften Union mit deutlich mehr Kompetenzen als heute.
EP-Position: Die ersten Reaktionen auf das Weißbuch waren weniger inhaltlicher als formeller Natur. Junckers Ansatz, fünf Szenarien zur Diskussion zu stellen, wurde von einigen als zu schwach kritisiert. Man hätte sich lieber eine klare Marschrichtung gewünscht, so die Argumentation der Kritiker. Andere lobten dagegen die Offenheit der Herangehensweise. So seien die Mitgliedstaaten gezwungen, sich in puncto EU endlich klar zu positionieren.
SPD-Position: Die Europa-SPD ist überzeugt: Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts lassen sich am besten gemeinsam lösen, da sie in aller Regel über nationalstaatliche Grenzen hinweg bestehen – ob nun beispielsweise beim Klimaschutz, bei der Verteidigung oder der Flüchtlingsfrage. Eine Reduzierung der Europäischen Union auf den Binnenmarkt würde den Erfordernissen unserer Zeit in keiner Weise gerecht. Stattdessen plädieren wir grundsätzlich für eine starke EU – auch und vor allem, wenn es um soziale Fragen geht. Dabei muss berücksichtigt werden, dass nicht alle Mitgliedstaaten zum jetzigen Zeitpunkt zu mehr Engagement bereit sind. Nicht zuletzt ist aus unserer Sicht wichtig, dass die Mitgliedstaaten hinter der Europäischen Union stehen und dies auch in konstruktiver Zusammenarbeit demonstrieren.
Ausblick: Nach der Plenardebatte in Straßburg soll die Diskussion um die Zukunft der EU bei der Feier zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge am 25. März in Rom fortgesetzt werden. Der Zeitplan von Kommissionspräsident Juncker sieht vor, dass Ende des Jahres erste Weichenstellungen vorgenommen werden sollen.

Brexit ante Portas – Prioritäten des Europäischen Parlaments Austrittsantrag der Briten voraussichtlich am Mittwoch, 15. März

Hintergrund: Der Beginn der Brexit-Verhandlungen steht unmittelbar bevor. Die britische Regierung wird voraussichtlich am Mittwoch, 15. März, den Antrag auf den Austritt aus der Europäischen Union nach Artikel 50 des EU-Vertrages einreichen – auf jeden Fall aber noch vor der Feier zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge am Samstag, 25. März. Ab diesem Zeitpunkt läuft eine zweijährige Frist, in der die EU und das Vereinigte Königreich einen bilateralen Austrittsvertrag aushandeln.
EP-Position: Der Austrittsvertrag kann nur nach Zustimmung des Europäischen Parlaments in Kraft treten. Prioritäten für das Europäische Parlament sind die Wahrung der Unteilbarkeit der vier Grundfreiheiten der Europäischen Union – Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital – sowie der Schutz der Rechte der EU-Bürgerinnen und Bürger in Großbritannien. Mit einer einheitlichen Stimme der EU-27 gilt es, eine faire und ausgewogene neue Grundlage für die Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich zu finden. Kein Drittstaat darf dabei nach Ansicht der EU-27 besser dastehen als ein EU-Mitgliedstaat. Das Europäische Parlament wird sich noch vor der Verabschiedung der Verhandlungsleitlinien durch den Europäischen Rat mit einer Resolution zu den anstehenden Brexit-Verhandlungen positionieren.
Eine zentrale Rolle bei den Verhandlungen werden Haushaltsfragen spielen. Mit Großbritannien scheidet ein großer Beitragszahler aus der Union aus. Chefunterhändler Michel Barnier stellt den Briten eine Rechnung von bis zu 60 Milliarden Euro in Aussicht. Diese Zahl setzt sich vor allem aus rechtlich verbindlichen Verpflichtungen im Rahmen des Mehrjährigen Finanzrahmens zusammen, für die Großbritannien nun auch einstehen muss.
Gleichzeitig muss die Europäische Union den künftigen Haushalt der EU-27 organisieren: Werden die übrigen Mitgliedsstaaten mehr einzahlen oder wird der EU-Haushalt deutlich verändert werden müssen? Der Ausstieg Großbritanniens kann auch eine Chance sein. Denn mit den Briten geht auch der Briten-Rabatt und damit müssen auch andere Rabatte wie derjenige von Deutschland verschwinden. Der EU-Haushalt könnte somit fairer und transparenter werden. Dazu kommt, dass mit dem Brexit eine wesentliche Hürde für die Reform der EU-Eigenmittel wegfällt. Die britische Regierung hatte sich stets gegen eigene Mittel der EU eingesetzt.
Ausblick: Da das britische Oberhaus Änderungen am nationalen Brexit-Gesetz vorgeschlagen hat, muss die Gesetzesvorlage erneut vom Unterhaus beraten werden und kann frühestens am Dienstag, 14. März, in Kraft treten. Die Notifizierung des Austritts aus der Europäischen Union durch die Regierung des Vereinigten Königreichs soll am Mittwoch, 15. März, erfolgen. Anschließend wird der Europäische Rat Leitlinien zu den Verhandlungen erlassen, und der Rat für Allgemeine Angelegenheiten wird die Aufnahme der Austrittsverhandlungen autorisieren. Geführt werden die Verhandlungen auf Seiten der EU von der EU-Kommission beziehungsweise ihrem Chefunterhändler Michel Barnier. Das Europäische Parlament stimmt über den ausgehandelten Austrittsvertrag ab.

Reform des EU-Abfallrechts – Ehrgeizigere Ziele für die Umwelt – Vier Richtlinien; Debatte am Dienstag, 14.03.2017, ab 9 Uhr, Abstimmung ab 12 Uhr

Hintergrund: Das Abfallmanagement in der Europäischen Union soll verbessert und in Richtung einer Kreislaufwirtschaft weiterentwickelt werden. Hierzu hat die EU-Kommission ein Gesetzespaket mit vier Richtlinien vorgelegt. Ziel ist es, die Abfallmengen in der EU künftig deutlich zu verringern und mehr Materialien wiederzuverwerten beziehungsweise zu recyceln. Produkte sollen länger funktionstüchtig und einfacher zu reparieren sein. Dadurch sollen Rohstoffe länger im Kreislauf gehalten, die Umwelt geschont und Arbeitsplätze geschaffen werden.
EP-Position: Der federführende Umweltausschuss spricht sich dafür aus, die Reform des Abfallrechts ehrgeiziger zu gestalten als von der Kommission bisher vorgesehen. So sollen die Recyclingraten von Haushaltsabfällen von aktuell 50 Prozent auf 70 Prozent bis 2030 deutlich angehoben werden. Auch Verpackungsmaterialien wie Kunststoffe, Metall und Glas sollen häufiger recycelt werden als bisher. In den Mitgliedstaaten, in denen Abfälle noch auf Deponien entsorgt werden, soll diese Praxis nach und nach beendet werden. Der Umweltausschuss will zudem Definitionen von Abfällen und Recyclingverfahren stärker vereinheitlichen, sodass die Anstrengungen der Mitgliedstaaten besser vergleichbar werden.
SPD-Position: Die Europa-SPD unterstützt die Forderung des Umweltausschusses nach ehrgeizigeren Zielen. Neben Haushaltsabfällen sollen zudem Gewerbe- und Industrieabfälle wirksamer reduziert und recycelt werden. Durch einen verbesserten Markt für Sekundärrohstoffe wie Karton oder Metallschrott sollen knappe Ressourcen häufiger wiederverwendet werden und zu einem nachhaltigen Wachstum beitragen. Weitere Maßnahmen sollen dazu führen, Lebensmittelabfälle zu halbieren und Abfälle im Meer zu verringern.
Ausblick: Im Umweltministerrat verläuft die Debatte derzeit schleppend. Der Startpunkt für die Verhandlungen zwischen Rat und Parlament ist daher unklar.

Strengere Regeln für Feuerwaffen – Richtlinie; Diskussion am Dienstag, 14.3.2017 ab 9 Uhr; Abstimmung ab 12 Uhr

Hintergrund: Die Richtlinie von 1991 über den Erwerb und Besitz von Waffen soll überarbeitet werden, da sie in ihrer gegenwärtigen Form gefährliche Schlupflöcher enthält. Das haben nicht zuletzt die jüngsten Terroranschläge in mehreren europäischen Ländern auf schreckliche Weise offengelegt. Mit der Überarbeitung der sogenannten Feuerwaffen-Richtlinie sollen diese Schwachstellen beseitigt werden. Ferner soll die Europäische Gesetzgebung an das Protokoll der Vereinten Nationen gegen die unerlaubte Herstellung von Feuerwaffen sowie gegen den unerlaubten Handel damit angeglichen werden. Die Europäische Kommission schätzte in ihrer Bestandsaufnahme zur Eindämmung des unerlaubten Handels von Feuerwaffen aus dem Jahr 2013, dass rund 80 Millionen Feuerwaffen innerhalb der Europäischen Union für den zivilen Gebrauch im Umlauf waren.
EP-Position: Zwischen den Fraktionen war vor allem die Frage umstritten, welche Waffen als besonders gefährlich gelten und damit grundsätzlich verboten werden sollen. Nach Abschluss der schwierigen Trilog-Verhandlungen im Dezember 2016 und der Bestätigung der Ergebnisse durch den Ausschuss der Ständigen Vertreter im Europäischen Rat, hat der Binnenmarktausschuss im Januar 2017 über den erzielten Kompromiss abgestimmt. Damit war der Weg für die Abstimmungen im Plenum frei.
SPD-Position: Die Sozialdemokraten unterstützen den in den Trilog-Verhandlungen erzielten Kompromiss, weil er die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in der EU erhöht. So sollen Feuerwaffen künftig besser zurückverfolgt werden können. Auch sollen sogenannte Salut- oder akustische Waffen, also ehemals scharfe Waffen, die wieder aktiviert werden können, ebenfalls von der Richtlinie erfasst werden. Zudem werden die Regeln für den Kauf von gefährlichen halbautomatischen Schusswaffen verschärft: Verboten sind künftig halbautomatische Kurzwaffen, die mehr als 20 Patronen aufnehmen, halbautomatische Langwaffen, die mehr als 10 Patronen aufnehmen, sowie Langwaffen, die sich leicht verbergen lassen. Die Sozialdemokraten hatten ursprünglich ein generelles Verbot von Waffen mit mehr als elf Schuss vorgeschlagen. Zudem fordern wir, dass die sogenannte Deaktivierungsverordnung für Feuerwaffen bald reformiert wird, denn nur so kann eine endgültige und unumkehrbare Deaktivierung von Feuerwaffen gewährleisten werden.
Ausblick: Nach der Abstimmung im Parlamentsplenum wird dem Ministerrat die Richtlinie zur Annahme vorgelegt.

Transparente Lieferketten gegen Smartphone-Mineralien aus Konfliktregionen – Verordnung; Debatte am Dienstag, 14.03.2017, ab 15 Uhr; Abstimmung am Mittwoch, 15.03.2017,ab 12 Uhr

Hintergrund:Es geht um Zinn, Wolfram und Gold für Smartphones, Tablets oder Rechner – Elektronikhersteller produzierten bisher nicht selten auch mit Rohstoffen aus sogenannten Konfliktregionen. Zahlreiche Förderminen, etwa im Kongo, stehen im Verdacht, von bewaffneten Gruppen kontrolliert zu werden. Diese finanzieren mit dem Verkauf von wertvollen Mineralien Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen – ein Teufelskreis. Laut einer neuen EU-Verordnung müssen Unternehmen solche Risiken in Lieferketten künftig identifizieren und ausschließen. Das Europäische Parlament stimmt am Mittwoch, 15. März in Straßburg über die neuen Regeln ab nachdem der Handelsausschuss das Trilog-Ergebnis mit 40 Ja-Stimmen und nur einer Enthaltung im Januar angenommen hatte.
EP-Position: Konservative und Liberale wollten zu Beginn der Verhandlungen eine rein freiwillige Selbstkontrolle der Unternehmen. Letztendlich hat sich das Europäische Parlament allerdings für eine verpflichtende Gesetzgebung ausgesprochen und sich in den Trilog-Verhandlungen mit dem Ministerrat und der Europäischen Kommission durchsetzen können. Das Verhandlungsteam des Europäischen Parlaments erzielte viele Verhandlungserfolge, die weit über den ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission und die Position des Ministerrates hinausgehen. Zu den Erfolgen zählen verbindliche Sorgfalts- und Offenlegungspflichten für Unternehmen von der Mine bis zur Schmelze für die von der Gesetzgebung erfassten Mineralien, sowie für Importeure von Metallen, die diese Mineralien enthalten. Diese Unternehmen müssen Risiken in ihren Lieferketten identifizieren, offenlegen und ihnen entgegenwirken. Des Weiteren reflektiert die Gesetzgebung vollständig die von der OECD ausgearbeiteten Leitlinien für verantwortliche Lieferketten als Leitprinzip.
SPD-Position: Sozialdemokraten hatten sich seit Beginn der Verhandlungen zu diesem Dossier für eine verpflichtende Gesetzgebung stark gemacht. In der Plenarabstimmung zur Position des Europäischen Parlaments setzten sie sich mit ihrer Forderung durch und bewirkten damit auch bei der Europäischen Kommission eine 180-Grad-Wende.
Ausblick: Teile der Gesetzgebung treten voraussichtlich im Juni 2017 in Kraft. Das heißt, ab dann laufen etwa die Vorbereitungen zur Einrichtung von Kontrollbehörden durch die EU-Mitgliedstaaten. Unternehmen müssen spätestens ab dem 1. Januar 2021 allen Anforderungen der Verordnung Folge leisten.

Gemeinsame Sicherheit und Verteidigung auf Basis des Vertrages von Lissabon
Initiativbericht; Debatte Dienstag, 14.03.2017, ab 17 Uhr; Abstimmung Mittwoch, 15.03.2017, ab 12 Uhr

Hintergrund: Ein Großteil der europäischen Bürgerinnen und Bürger fordert laut einem Eurobarometer vom Juni 2016 eine engere europäische Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik – nicht zuletzt aufgrund von veränderten politischen und strategischen Rahmenbedingungen wie dem bevorstehenden Brexit, den Terroranschlägen in Paris, Brüssel und Berlin, aber auch der „America first“-Politik des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Der Vertrag von Lissabon sieht bereits die Möglichkeit einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik vor. Einige der im Vertrag erwähnten Instrumente wurden aber bisher gar nicht oder im Falle des von Frankreich ausgerufenen Bündnisfalles nach der Terrorserie im November 2015 in Paris ad hoc zum ersten Mal genutzt. Vor allem geht es um eine permanente strukturierte Zusammenarbeit (Pesco).
Auch zum Beispiel die bestehenden EU-Kampfgruppen, eine für jeweils ein halbes Jahr aufgestellte militärische Formation der EU mit 300 bis 1200 Soldaten, wurden noch nie eingesetzt.
Die ständige strukturierte Zusammenarbeit bedeutet, dass der teilnehmende EU-Mitgliedstaat seine Verteidigungsfähigkeiten intensiver entwickeln muss, gegebenenfalls durch die Beteiligung an multinationalen Streitkräften und durch die Zusammenarbeit mit der Europäischen Verteidigungsagentur. Die meisten EU-Staaten befürworten eine ständige strukturierte Zusammenarbeit, die Einzelheiten sind aber umstritten. Deutschland und Frankreich etwa sind uneinig, wer an dieser militärischen Kooperation beteiligt werden soll. Während die Bundesregierung mit Ausnahme Großbritanniens so viele EU-Staaten wie möglich beteiligen will, drängt die französische Regierung eher zu einer kleinen Gruppe von Ländern mit der Absicht und der Kompetenz, sich militärisch zu beteiligen.
EP-Position: Das Europäische Parlament spricht sich für den Einsatz einer permanenten strukturierten Zusammenarbeit sowie eine Stärkung der Europäischen Verteidigungsagentur (EVA) mit Sitz in Brüssel aus. Derzeit wird die EVA nicht vom EU-Budget finanziert. Die EVA soll die Rüstungsplanung europäischer ausrichten und besser koordinieren um Doppelungen und Zersplitterung der Fähigkeiten der Mitgliedstaaten zu minimieren. Des Weiteren fordert das Europäische Parlament konkrete Schritte in Richtung einer Harmonisierung und Standardisierung der europäischen Streitkräfte, um den Aufbau einer integrierten europäischen Streitkraft im Rahmen der PESCO zu vereinfachen.
SPD-Position: Die SPD-Abgeordneten sehen die Notwendigkeit, die gemeinsame europäische Verteidigung weiterzuentwickeln, allerdings nur parallel zur sogenannten Soft Power, also der Beeinflussung ohne militärische Mittel. Für die Stärkung der EVA und den Einsatz der Permanenten Strukturierten Zusammenarbeit müssen die EU-Mitgliedstaaten die zusätzlich benötigten finanziellen Mittel zur Verfügung stellen. Außerdem müssen die EU-Institutionen Fragen über die Strukturen, Zuständigkeiten und Kontrolle einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik vorher eingehend klären. Das Europäische Parlament sollte hier eine wichtige Rolle spielen.
Ausblick: Die Entwicklung der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik hängt stärker vom politischen Willen der EU-Mitgliedstaaten als von rechtlichen Überlegungen ab. Jahrelang hatte sich wegen der unterschiedlichen Vorstellungen in dieser Hinsicht politisch wenig bewegt. Es wird sich in den kommenden Monaten zeigen, ob die Mitgliedstaaten im Bereich der Verteidigung zu einer größeren Kooperation bereit sind. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hat angekündigt, bis zum EU-Gipfel im Juni werde die Pesco „entscheidungsreif“ sein.

Big Data – Datenkontrolle für die Bürger, Chancen nutzen – Initiativbericht; Debatte Montag, 13.03.2017, ab 17 Uhr; Abstimmung Dienstag, 14.03.2017, ab 12 Uhr

Hintergrund: Die zunehmende Digitalisierung führt zu der Entwicklung massiver, ständig größer werdender Datenbestände. Die gesammelten Daten können dabei aus verschiedenen Quellen stammen, zum Beispiel aus der allgegenwärtigen Nutzung von Kommunikationstechnologien, elektronischen Geräten, Überwachungsgeräten wie etwa sogenannte Fitness- oder Gesundheitsarmbänder, sozialen Medien, Interaktionen und Netzwerken im Internet, Kunden- und Bankkarten, Kraftfahrzeugen, vernetzter Technik in Häuser – einschließlich Geräten, die Informationen ohne menschliches Zutun weitergeben.
EP-Position: Der Innenausschuss des EU-Parlaments hatte im Februar 2017 einen Initiativbericht zu Big Data und Grundrechten mit breiter Mehrheit angenommen. Während sich aus Big Data Chancen ergeben können, etwa für die Gesundheitsforschung oder die Optimierung der Nutzung knapper Energieressourcen, ergeben sich auch ganz erhebliche Grundrechtsrisiken dieser zunehmend schwer durchschaubaren Technologie. Diese liegen zum einen in der kommerziellen Nutzung von Big-Data-Anwendungen und im öffentlichen Sektor, sowie zum anderen in der Nutzung von Big Data in der Strafverfolgung.
SPD-Position: Die Chancen von Big Data können nur im vollen Umfang von Bürgern, öffentlichen Institutionen und dem Privatsektor genutzt werden, wenn die Menschen Vertrauen in diese Technologie haben können. Das erreichen wir nur durch Einhaltung hoher Datenschutz- und ethischer Standards. In der kommerziellen Nutzung kann Big Data zu diskriminierenden Praktiken führen, beispielsweise bei der Vergabe von Krediten, die für den Einzelnen kaum durchschaubar sind. Auch im Bereich der Strafverfolgung birgt die zunehmende Nutzung von Big Data, etwa im Kontext des so genannten predictive policing, enorme Grundrechtsrisiken, etwa hinsichtlich der Stigmatisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen. Predicitve policing bezeichnet die Analyse von Falldaten zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten, um den Einsatz von Polizeikräften zu steuern. Dies ist insbesondere problematisch, wenn die Qualität der genutzten Daten und beziehungsweise oder Analysekapazitäten sowohl beim Personal als auch bei automatisierten Verfahren nicht gesichert sind.
Ausblick: Das EU-Datenschutzpaket, das im Mai 2018 in Kraft treten wird, bietet einen robusten Schutzrahmen für die Rechte des Einzelnen – etwa hinsichtlich des Rechts auf Information oder des Rechts, das persönliche Daten nur für einen fest definierten Zweck verwendet werden dürfen. Allerdings ist es von großer Bedeutung, dass die neuen Datenschutz-Regeln angesichts der Grundrechtsrisiken durch Big Data auch durchgesetzt werden: Die nationalen Datenschutzbehörden müssen hier eine Schlüsselrolle übernehmen.

Funkfrequenzen Gerecht verteilen – Digitale Gesellschaft auf den Weg bringen – Beschluss; Debatte Dienstag, 14.3.2017, ab 17 Uhr; Abstimmung Mittwoch, 15.3.2017 ab 12 Uhr

Hintergrund: Die digitale Gesellschaft der Zukunft benötigt flächendeckend mobile Breitbanddienste. Hierfür sind Funkfrequenzen unabdingbar. Damit ausreichend Frequenzbänder – also Bereiche von Frequenzen – verfügbar sind und auch grenzüberschreitend Dienste angeboten werden können, müssen wir die Verteilung europaweit koordinieren. Wichtig ist dabei, dass Dienste wie das klassische Fernsehen weiterhin verfügbar bleiben. Zudem sind Frequenzen ein öffentliches Gut, das nicht unter Preis an private Unternehmen – in der Regel für mindestens 20 Jahre – vergeben werden soll.
EP-Position: Bei der Abstimmung des Beschlusses im Industrieausschuss im November wurde folgender Kompromiss erreicht: Das attraktive Frequenzband 694–790 MHz wird, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, bis 2020 in allen Mitgliedstaaten für Breitband-Kommunikationsdienste freigeräumt. Bislang wird es vom Fernsehen genutzt. Der Text sieht dabei eine gewisse Flexibilität für diejenigen Mitgliedstaaten vor, für die die Umstellung mit großem Aufwand verbunden ist. In diesen Fällen können sie das Band bis zu zwei Jahre später vergeben. Audiovisuelle Dienste wie frei zugängliches Fernsehen werden auf das niedrigere Band 470-694 MHz ausweichen beziehungsweise dieses weiter nutzen können. In Deutschland ist der Frequenzumzug des Fernsehens vom höheren auf das niedrigere Band bereits vollzogen. Die sozialdemokratische Fraktion hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass diese Nutzung bis mindestens 2030 störungsfrei garantiert wird. Damit wird mittelfristig die Empfangbarkeit digital-terrestrischen Fernsehens im Standard dvb-t2 abgesichert, was neben Satellit das günstigste Empfangssystem mit niedrigen Anschaffungskosten ist. Diese wichtigen Punkte konnten auch in den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission aufrechterhalten werden.
SPD-Position: Für uns ist klar, dass die Frequenzkoordinierung notwendig ist, um Raum für neue digitale Dienstleistungen zu schaffen. Sicheres autonomes Fahren zum Beispiel wird nur möglich, wenn Frequenzen europaweit einheitlich genutzt werden. Allerdings darf die Frequenzkoordinierung auch nicht überstürzt werden, denn für einige Länder bedeutet die Neuverteilung des 694–790 MHz-Bandes eine große technische Umstellung. Sehr wichtig ist auch, dass die Bürgerinnen und Bürger nach wie vor klassische Angebote wie Fernsehen ohne Qualitätseinbußen nutzen können.
Ausblick: Nach der Plenumsabstimmung muss der Rat den Text noch formal annehmen.