Statement von Petra Kammerevert zum Europäischen Solidaritätskorps (ESC)

Bild: © Europäisches Parlament

Sehr geehrter Herr Kommissar Navracsics,
liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete,

Es ist erfreulich, dass so viele junge Europäerinnen und Europäer Interesse daran zeigen, sich als Freiwillige solidarisch für unser gesellschaftliches Zusammenleben zu engagieren. Innerhalb der letzten 4 Monate haben sich 25 000 Jugendliche auf der eingerichteten Online-Plattform angemeldet und sich für das Europäische Solidaritätskorps beworben.

Die Kommission hat mit der Veröffentlichung ihrer Online-Plattform und der Entsendung erster Freiwilliger jedoch Fakten geschaffen ohne dafür eine gesetzliche Grundlage zu haben und vor allem ohne die Finanzierung geklärt zu haben.

Die Initiative der Kommission, Jugendliche mehr in den Mittelpunkt der europäischen Politik zu rücken, wird vom Kulturausschuss grundsätzlich begrüßt, gleichzeitig stellen wir uns aber auch etliche Fragen im Zusammenhang mit dem Format, der Funktionsweise, der Finanzierung, und der langfristigen Tragfähigkeit des ESC.
Wir weisen daher in unserer Resolution zurecht auf die vielen Schwächen und Fehler der Initiative hin und zeigen auf, welche Bedingungen erfüllt werden müssen, um den ESC zu einem Erfolg werden zu lassen.
Die Träger der Jugendarbeit und der Freiwilligendienste müssen zukünftig eng an der Entwicklung und Umsetzung des ESC beteiligt werden. Über ihr Engagement beim Freiwilligendienst verfügen sie über umfangreiches Erfahrungs- und Fachwissen. Es wäre geradezu fahrlässig dieses nicht für den ESC zu nutzen.
Es muss sichergestellt werden, dass die bisherigen Errungenschaften im Hinblick auf den Europäischen Freiwilligendienst nicht geschwächt werden. Der Aufbau von Doppelstrukturen wäre nicht nur ineffektiv, sondern schädlich.

Neue Initiativen benötigen frisches Geld. ERASMUS + ist trotz der Mittelaufstockung chronisch unterfinanziert. Gute Projekte, gerade im Bereich der Jugendarbeit müssen massenhaft abgelehnt werden, weil das Geld fehlt. ERASMUS+ jetzt auch noch mit einer neuen Idee zu überfrachten, ohne zu sagen, wo die erforderlichen Mittel herkommen sollen, kann vom Parlament nicht hingenommen werden. Der ESC darf nicht zulasten von bestehenden Programmlinien in ERASMUS+ gehen und auch die Jugendgarantie muss Sacro Sankt sein! Es könnte ein positiver Nebeneffekt des ESC sein, die Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen zu erhöhen, aber der ESC ist aber kein arbeitsmarktpolitisches Instrument! Deshalb muss auch sichergestellt werden, dass reguläre Arbeitsplätze nicht durch „billige“ Freiwilligentätigkeit ersetzt werden. Wir erwarten von der Kommission ein überzeugendes und nachhaltiges Konzept für den ESC. Der Enthusiasmus der jungen Menschen kann sonst schnell in Frustration umschlagen, vor allem wenn klar wird, dass nicht mal die Hälfte der Interessierten in diesem Jahr am ESC teilnehmen können.

Vor diesem Hintergrund stellen wir folgende Fragen:
1. Wie könnte der ESC den Europäischen Freiwilligendienst weiter stärken? Wie werden diese beiden Initiativen parallel koexistieren und sich kurz-, mittel- und langfristig ergänzen? Wie wollen Sie unnötige Überlappungen zwischen den beiden Initiativen vermeiden? Und wie werden die derzeit im Europäischen Freiwilligendienst involvierten Organisationen an diesem Prozess beteiligt sein?

2. Mit Hilfe welcher EU-Förderprogramme wird der ESC in seiner Anfangsphase umgesetzt und was sind die Budgetauswirkungen auf diese Programme? Was sind die Absichten der Kommission hinsichtlich der kurz-, mittel- und langfristigen finanziellen Nachhaltigkeit des ESC?

3. Wie wird die Kommission dafür Sorge tragen, dass die Freiwilligentätigkeit nicht systematisch ausgenutzt wird, um reguläre Arbeitsplätze zu ersetzen, egal ob Vollzeit oder Teilzeit? Und schließlich: Wird die Kommission einen Kontroll- und Evaluierungsmechanismus für den ESC vorsehen, um die ordnungsgemäße Umsetzung, die Qualität der Freiwilligentätigkeiten und die Nachhaltigkeit der Initiative zu gewährleisten?

Rede als Video

Aussprache zum Europäischen Solidaritätskorps am 3. April 2017 im Europäischen Parlament auf Youtube

Datenschutz