Keynote von Petra Kammerevert zum Programm „Kreatives Europa“ am 4. Dezember in München

Bild: © FKPH

Sehr geehrte Frau Degener,
Sehr geehrte Frau Recalde,
Sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich sehr, heute bei Ihnen zu sein und mich mit Ihnen über die Zukunft des mir sehr wichtigen Programms „Kreatives Europa“ sowie weitere medienpolitische Veränderungen auf europäischer Ebene austauschen zu können.

Es ist nun gerade einmal drei Wochen her, dass das Europäische Parlament den Film „Woman at War“ mit dem LUX-Filmpreis ausgezeichnet hat. Ein Film von Klasse. Witzig, politisch, feministisch. Ein Film, der ins Herz vieler wichtiger gesellschaftlicher Debatten trifft. Er thematisiert Klimaschutz, die Globalisierung unser Märkte, Adoptionsrecht, die Ukraine-Krise und kulturelle Diversität. Als europäisches Werk – durch Kreatives Europa beziehungsweise das MEDIA-Programm gefördert – lädt „Woman at War“ zum Nachdenken darüber ein, was der Kampf einer einzelnen Person über das Europa von morgen aussagt und wo wir in Zukunft Prioritäten setzen sollten.

Der Erfolg des Filmes zeigt, dass europäisches Kino mindestens genauso hochwertig, spannend und gesellschaftlich relevant sein kann wie das amerikanische. Aufgrund von Sprachbarrieren und Landesgrenzen innerhalb der Union haben unsere Filme dennoch Schwierigkeiten mit Hollywood-Produktionen zu konkurrieren. Deswegen bin ich sehr froh darüber, dass es den LUX-Filmpreis gibt, der zumindest für einige wenige Filme eine Stütze ist, um grenzüberschreitend Erfolg zu haben. Viel wichtiger ist in diesem Kontext jedoch das Programm „Kreatives Europa“.

„Kreatives Europa“ ist derzeit das einzige EU-Förderprogramm, dass sich speziell auf die Förderung von Kreativität, Kultur und Vielfalt in Europa konzentriert. Das Programm trägt dazu bei, die Wettbewerbsfähigkeit sowie den innovativen Charakter des europäischen Kultur- und Kreativsektors zu fördern. Es hilft den Kultur- und Kreativbranchen, die Chancen des digitalen Zeitalters und der Globalisierung zu nutzen – und somit auch neue internationale Chancen, Märkte und Zielgruppen zu erschließen. Auch die grenzübergreifende Zusammenarbeit sowie der interdisziplinäre Dialog zwischen verschiedenen Sektoren werden durch das Programm gestärkt.

All diese Ziele mit dem recht bescheidenen Budget von 1,46 Mrd. Euro in der laufenden Förderperiode erreichen zu wollen, ist überaus ehrgeizig und der wichtigen Rolle der Kultur für unsere Gesellschaft in keinster Weise angemessen. Das schlägt sich zum Beispiel in den geringen Erfolgsquoten für komplizierte Projektanträge nieder, die unter Kulturschaffenden zu hoher Frustration führen. Vor allem dann, wenn die Projekte grundsätzlich förderungswürdig sind und es nur am fehlenden Geld scheitert.

Trotz der geringen Mittel erzielt das Programm beachtliche Erfolge, insbesondere mithilfe des Netzwerks der „Kreativen Europa“ Desks. Die letzten Jahre haben deutlich gemacht, dass wir grundsätzlich auf dem richtigen Weg sind. So bekräftigen alle Interessenvertreter und Programmteilnehmer, dass das Programm dem kreativen Sektor in Europa eine wahrhafte europäische Dimension verliehen hat und sprechen sich klar für eine Fortführung des Programms im nächsten EU Haushalt aus.

Deshalb begrüße ich, dass die Kommission in ihrem Entwurf für das zukünftige Programm eine Mittelerhöhung auf 1,86 Mrd. Euro vorgesehen hat. Dies ist ein wichtiges Zeichen, insbesondere vor dem Hintergrund des Europäischen Kulturerbejahrs, das wir dieses Jahr feiern.
Kultur muss ein weitaus wichtigerer Stellenwert in der gesellschaftlichen sowie politischen Debatte eingeräumt werden. Kulturförderung darf nicht nur als ein „Nice to have“ betrachtet werden.

Im Europäischen Parlament beraten wir gerade über den Kommissionsvorschlag zum zukünftigen Programm „Kreatives Europa“. Konkret ist in unserem Haus der Ausschuss für Kultur und Bildung, dem ich vorstehe, federführend zuständig.

Meiner Meinung nach müssen wir noch ambitionierter vorgehen – und das nicht nur, wenn es um die Finanzausstattung geht. Die Erfolge des Programms sowie seine vorgesehene Ausweitung auf weitere Aktionsfelder erfordern mindestens eine Mittelverdopplung, also 2,8 Mrd. Euro.

Im Kreativsektor sollten wir ein noch größeres Augenmerk auf die Digitalisierung richten und entsprechend digitale Fähigkeiten stärker fördern. Des Weiteren sollte die wichtige Rolle von Kultur für die soziale Inklusion, insbesondere von Minderheiten und sozial schwachen Gruppen, besser herausgestellt und die Verfahren für Anträge einfacher und transparenter gestaltet werden, gerade für kleinere Antragsteller.

Die Frist für Änderungsvorschläge ist vergangene Woche abgelaufen. Die finale Abstimmung über die Position des Europäischen Parlaments im Ausschuss ist für Ende Februar vorgesehen. So können wir gleich nach den Europawahlen im Mai 2019 in die Verhandlungen mit dem Rat einsteigen, um den direkten Fortlauf des Programms zu gewährleisten.

All dies hängt aber natürlich auch davon ab, wie sich die Verhandlungen über den allgemeinen EU-Haushalt gestalten und ob die Mitgliedsstaaten bereit sind, ein Mehr an Europa zu wagen.

Ich blicke positiv auf die uns bevorstehenden Beratungen und bin überzeugt davon, dass der Mehrwert des Programms „Kreatives Europa“ allen Entscheidungsträgern bekannt ist.

„Kreatives Europa“ ist aber bei Weitem nicht die einzige derzeit in Brüssel diskutierte europäische Initiative, das die Kultur- und Kreativsektoren in Zukunft stark beeinflussen wird. Hier denke ich vor allem an die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, die diesen Herbst verabschiedet wurde, sowie die hoch kontroverse Urheberrechtsreform.

Bei der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste befanden sich die europäischen Gesetzgeber in einem schwierigen Spannungsfeld zwischen dem Erhalt eines innovationsfördernden europäischen Geschäftsumfelds, einem hohen Schutzniveau für die europäischen Konsumenten – insbesondere für Minderjährige -, der Wahrung der europäischen kulturellen Vielfalt und dem Kampf gegen um sich greifende Übel wie Hassrede und Aufruf zu Gewalt, insbesondere im Internet. Diesen Balanceakt haben wir nach schwierigen Verhandlungen meines Erachtens gut hinbekommen.

Konkret gelten nun auch für audiovisuelle Inhalte in sozialen Medien wie Facebook oder auf Videosharing-Plattformen wie YouTube inhaltliche Spielregeln, insbesondere im Hinblick auf den Schutz von Minderjährigen vor nicht altersgemäßen oder schädlichen Inhalten. Gleichzeitig haben wir uns aber bewusst gegen eine Vorabkontrolle von Inhalten entschieden.

Auch die Regeln zu kommerzieller Werbung, Sponsoring und Produktplatzierung wurden überarbeitet und zum Teil flexibilisiert. Zum einen um die Finanzierung von traditionellem Fernsehen in einem sich ändernden Marktumfeld weiterhin zu sichern. Zum anderen um die Konsumenten vor zu tief greifenden Einschnitten in ihr TV-Erlebnis beziehungsweise vor Manipulation zu schützen.

Sehr wichtig war mir auch, dass die Mitgliedstaaten nun auch Dienste wie Netflix oder Amazon Prime dazu verpflichten können, ihren Beitrag zum Erhalt und zur Förderung der europäischen kulturellen Vielfalt zu leisten und die Produktion von europäischen Inhalten finanziell zu unterstützen. Außerdem müssen sie in Zukunft in ihren Katalogen mindestens 30% europäische Inhalte anbieten.

Ähnlich wie mit dem Programm „Kreatives Europa“ verfolgen wir damit das Ziel, unsere Kultur- und Kreativschaffenden zu unterstützen. Diese Zielsetzung hat sich darüber hinaus auch in der Urheberrechtsreform niedergeschlagen, in der meine Fraktion etliche Vorschriften zum Schutz und zur Förderung von Kreativen durchsetzen konnte. Zum Beispiel das Recht auf faire Vergütung, Mechanismen zur Streitbeilegung und Klauseln zur Vertragsanpassung.

All diese erwähnten Gesetzesinitiativen sind einerseits Beispiele für die Bestrebungen der EU einen einheitlichen europäischen digitalen Binnenmarkt zu schaffen und Europa in dieser Hinsicht fit für die Zukunft zu machen. Denn unsere Lebenswirklichkeit wird mehr und mehr von einer vernetzten digitalen Welt durchdrungen.

Andererseits sind sie ein wichtiges Signal, dass die EU die Erfolgsgeschichte ihres Mottos „In Vielfalt vereint“ weitererzählen möchte. Kreatives Schaffen bildet die Grundlage unserer kulturellen Vielfalt und somit auch unserer Identität als Europäerinnen und Europäer. Dies gilt es weiter zu stärken – auf allen Ebenen, in allen Politikbereichen.

Die Erfolgsgeschichte des „In Vielfalt vereint“ könnte jedoch bald ins Gegenteil gekehrt werden.

Denn auch wenn das Projekt Europa seit seiner Gründung stetig wuchs und nach wie vor ein einzigartiges Modell diplomatischer Beziehungen und gemeinsamer Wertvorstellungen darstellt, schüren aktuelle Brennpunkte wie die Uneinigkeit im Umgang mit Migration, Volksentscheide wie der BREXIT, sich verändernde internationale Handelsbeziehungen sowie ein von schweren Konflikten, Verwerfungen und der Verschiebung von Machtverhältnissen geprägtes globales Umfeld eine nie da gewesene Unsicherheit unter den Bürgerinnen und Bürgern hinsichtlich der Notwendigkeit unserer Staatengemeinschaft.

Dies resultiert in intensiven Auseinandersetzungen um das „Heute“ und vor allem das „Morgen“ des europäischen Projektes und damit verbunden leider auch eine zunehmende Rückbesinnung auf das Nationale, das uns Trennende. Diese Entwicklung können wir in vielen Mitgliedstaaten beobachten, sei es in Ungarn, in Polen, in Österreich, in Italien – aber auch in Deutschland mit dem Erstarken der AfD.

Die Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2019 werden daher richtungweisend sein. Dann wird darüber entschieden, wie und vor allem ob wir mit dem europäischen Projekt weitermachen wollen.

In diesem Sinne möchte ich Sie alle ermuntern, im kommenden Jahr Ihre Stimmzettel abzugeben, für eine demokratische pro-europäische Partei.

Wir alle profitieren von der EU – sei es über „Kreatives Europa“, sei es durch ERASMUS, sei es auf Grundlage der Reisefreiheit oder der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Europa ist kein Projekt mehr. Europa ist Teil unseres Lebens.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und ich freue mich jetzt schon auf einen inspirierenden Austausch mit Ihnen!