Digitalsteuer – Kein Freifahrtschein mehr für Google, Facebook & Co. – Stellungnahme zur Richtlinie; Debatte Mittwoch 12.12.2018 ab 15 Uhr; Abstimmung, ab 17 Uhr
Hintergrund: Digitalunternehmen zahlen nach Schätzungen der Europäischen Kommission im Schnitt 9,5 Prozent Körperschaftssteuer auf ihre Gewinne, in anderen traditionellen Sektoren sind es dagegen im Schnitt 23 Prozent. Der Grund: Die derzeitigen Steuerregelungen hinken den Entwicklungen der digitalen Wirtschaft hinterher, die Regeln sind noch auf die klassischen Unternehmensformen mit einer klaren Betriebstätte zugeschnitten. Den flexiblen Modellen der digitalen Wirtschaft kann man damit nicht mehr Herr werden. Die Folge: Gewinne werden dorthin verschoben wo sie am wenigsten oder fast überhaupt nicht besteuert werden. Berechnungen der sozialdemokratischen Fraktion zufolge erzielte ein Unternehmen wie Amazon in 2017 in Europa Einnahmen von rund 25 Milliarden Euro, zahlte jedoch kaum Steuern.
EP-Position: Der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission für die Einführung einer Digitalsteuer von Ende März 2018 geht auf eine langjährige Forderung der sozialdemokratischen Fraktion zurück. Der Wirtschafts- und Währungsausschuss im Europäischen Parlament hat sich bei seiner Abstimmung zu dem Gesetzesvorschlag Anfang Dezember 2018 fast einstimmig für eine fairere Besteuerung von Digitalunternehmen ausgesprochen und dafür als kurzfristige Lösung für Einführung einer solchen ausgesprochen. Langfristig soll bei der Unternehmensbesteuerung das Prinzip einer sogenannten virtuellen Betriebstätte eingeführt werden, die bei Internetunternehmen an die Stelle der klassischen Betriebsstätte tritt. Im Gegensatz zum Vorschlag der EU-Kommission, der 3 Prozent auf bestimmte Dienstleistungen wie das Erbringen von Werbung oder den Verkauf von Nutzerdaten vorsieht, fordert der Wirtschaftsausschuss unter anderem eine Ausweitung des Anwendungsbereichs auch auf Anbieter digitaler Inhalte wie den Streamingdienst Netflix.
S&D-Position: Die Frage, wie viel Steuern ein Unternehmen Steuern bezahlt, kann nicht allein davon abhängen, wo es seinen Server stehen hat, sondern auf welchen Märkten es seine Geschäfte tätigt. Wer dem deutschen Kunden übers Netz auf dem deutschen Markt seine Dienstleistungen anbietet, soll dort auch seine Steuern zahlen. Für Google, Facebook und Co. müssen die gleichen Regeln gelten wie für den Laden von nebenan. Deshalb hatte die sozialdemokratische Fraktion nicht nur eine Digitalsteuer von 5 Prozent gefordert, sondern zudem noch einen möglichst breiten Anwendungsbereich, der auch E-Commerce-Anbieter wie Amazon oder Zalando umfasst.
Ausblick: Die Richtlinie wird derzeit noch im Rat diskutiert. Frankreich und Deutschland hatten sich für eine Lösung bis Ende des Jahres stark gemacht. Ein Kompromissvorschlag der beiden Länder fand keine Mehrheit im Rat der Finanzminister Dieser sah eine automatische Einführung einer Digitalsteuer auf europäischer Ebene ab 2021 vor, sollte bis dahin keine Lösung auf globaler Ebene gefunden werden. EU-Mitgliedstaaten wie Irland, Dänemark, Schweden und Finnland blockieren derzeit eine Einigung. Entscheidungen in Steuerfragen müssen einstimmig im Rat getroffen werden.
Strenge Grenzwerte gegen Abgase – mehr Schutz am Arbeitsplatz – Richtlinie; Aussprache im Plenum am Montag, 10.12.2018, ab 18 Uhr; Abstimmung am Dienstag, 11.12.2018 ab 12 Uhr
Hintergrund: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der EU sterben zunehmend an Krebserkrankungen, verursacht durch gesundheitsschädigende Bedingungen am Arbeitsplatz. Dabei führt Lungenkrebs die Liste der Todesursachen an. Trotzdem weigerte sich die EU-Kommission bislang, Abgase von Dieselmotoren in den Geltungsbereich der sogenannten Krebsrichtlinie aufzunehmen. Eine große Mehrheit im Beschäftigungsausschuss des Europaparlaments legte am 27. März 2018 einen Grenzwert für die Belastung durch Dieselabgase von 0,05 Milligramm pro Kubikmeter fest, der dem deutschen Grenzwert folgt.
EP-Position: Das Europäische Parlament konnte den neuen Grenzwert in den Verhandlungen mit der EU-Kommission und der österreichischen Ratspräsidentschaft durchsetzen. Rund 3,6 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa, insbesondere in Lagerhallen, im Bergbau oder im Güterverkehr, sind deshalb laut einem Forschungsprojekt des Instituts für Arbeitsmedizin künftig besser vor Diesel-Emissionen geschützt. Das Europäische Parlament billigt nun abschließend die Übereinkunft der Trilog-Verhandlung.
SPD-Position: Die sozialdemokratische Fraktion konnte in einem ersten Änderungspaket bereits schärfere Grenzwerte für krebserregende Stoffe in Lacken, Dämpfen oder Holzstaub festlegen, die vor allem Lackiererinnen und Lackierer, Schweißerinnen und Schweißer sowie Lagerarbeiterinnen und Lagerarbeiter künftig bei ihrer Arbeit besser schützen.
Ausblick: Das erste von insgesamt vier Paketen der Überarbeitung ist bereits seit Januar 2018 in Kraft. Der dritte Vorschlag wurde am 20. November 2018 vom Beschäftigungsausschuss gebilligt. Er beinhaltet unter anderem Begrenzungen für Formaldehyd, das bei der Herstellung von Farbstoffen, Arzneistoffen und bei der Textilveredelung vorkommt. Die Europäische Kommission plant darüber hinaus, bis zum Ende der Legislaturperiode Ende Mai 2019 einen vierten Vorschlag zur Überarbeitung der Krebsrichtlinie vorzustellen.
EU-Japan-Abkommen – faire Handelsregeln statt Trumpsche Abschottung – Abkommen; Debatte am Dienstag, 11.12.2018, ab 15 Uhr; Abstimmung am Mittwoch, 12.12.2018, ab 12.30 Uhr
Hintergrund: US-Präsident Donald Trump hat einen einseitigen “America First”-Kurs zu Lasten von langjährigen Partnern wie der Europäischen Union eingeschlagen und sagt einer regelbasierten globalen Handelsordnung den Kampf an. Doch weltweiter Handel kann nur fair sein, wenn er auf Grundlage von verbindlichen Regeln stattfindet, die Staaten auf Augenhöhe gemeinsam entwickeln. Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein berechtigtes Interesse an hohen Schutzstandards und Preisen, die nicht durch eine nationale Abschottungspolitik oder mangelnde Zusammenarbeit aufgebläht sind. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen eine verlässliche Absicherung ihrer Rechte, um ihre Gestaltungskraft zu stärken. Diese Regeln können im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO), oder, aufgrund tiefgehender Blockaden der WTO, auch in bilateralen Abkommen entwickelt werden.
Japan ist der zweitgrößte Handelspartner der EU in Asien, weltweit der sechstwichtigste Handelspartner der EU und eine der größten Volkswirtschaften der Welt. Gemeinsam machen Japan und die EU mehr als ein Drittel der Weltwirtschaft aus. Parallel zum Handelsabkommen wurde ein strategisches Partnerschaftsabkommen ausgehandelt, das den politischen Dialog und die Zusammenarbeit unter anderem in den Bereichen Menschenrechte, Sicherheit und Klimawandel regelt. Richtig umgesetzt, kann das EU-Japan-Abkommen zwischen zwei der weltweit größten Handelsräume ein wichtiges Zeichen gegen nationale Alleingänge setzen.
EP-Position: In Fragen europäischer Handelspolitik sind die Fronten im Europäischen Parlament relativ eindeutig geklärt. Während linke, grüne und nationalistische Fraktionen Handelsabkommen aus meist ideologisch motivierten Gründen konsequent ablehnen, befürworten konservative Kräfte Handelsabkommen grundsätzlich – allerdings ohne besondere Anforderungen an diese Verträge zu stellen. Im Ausschuss für internationalen Handel spiegelte sich dies in einer großen Mehrheit für das Abkommen sowie die begleitende Resolution wieder.
SPD-Position: Die SPD im Europäischen Parlament ist davon überzeugt, dass man Globalisierung durch faire Regeln gestalten muss. Schon vor dem Angriff von US-Präsident Trump auf die internationale Zusammenarbeit war dies das Leitmotiv sozialdemokratischer Handelspolitik, hat aber durch die Entwicklungen seit der Amtsübernahme des neuen US Präsidenten an Dringlichkeit gewonnen.
Dies bedeutet nicht, dass alle Handelsabkommen per se dazu geeignet sind, faire Regeln zu setzen. Sondern dass Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Verträge über den Verhandlungsprozess hinweg kritisch begleiten, Einfluss auf die Inhalte nehmen und nach Abschluss auf eine konsequente Umsetzung und Fortentwicklung der Standards drängen müssen. Dies ist im Fall des EU-Japan-Abkommens durch die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Europaparlament geschehen, durch die Arbeit in Monitoring-Gruppen, durch Debatten im Ausschuss für internationalen Handel sowie im regen Austausch mit Gewerkschaften, NGOs, und weiteren Interessensvertretern.
Klärungsbedürftig ist noch die Frage, wie Japan seine aus dem Nachhaltigkeitskapitel entstehenden Verpflichtungen, umzusetzen gedenkt. Dabei geht es vor um die Ratifizierung und Umsetzung der zwei ausstehenden der acht ILO-Kernarbeitsnormen. Das betrifft die Beseitigung von Zwangsarbeit und das Verbot von Diskriminierung am Arbeitsplatz. Die japanische Regierung hat dazu eine ministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet. Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden deren Ergebnisse genau prüfen.
Diese Klärung muss die japanische Regierung vor der Abstimmung im Plenum über das Abkommen leisten.
Ausblick: Nur nach einer Zustimmung durch das Europäische Parlament kann ein EU-Handelsabkommen in Kraft treten.
Mehr Transparenz im Lebensmittelsektor – Verordnung; Debatte Montag, 10.12.2018, ab 18 Uhr; Abstimmung, Dienstag, 11.12.2018, ab 12 Uhr
Hintergrund: In Reaktion auf die Debatte und die europäische Bürgerinitiative zu Glyphosat hatte die Europäische Kommission im April 2018 einen Verordnungsvorschlag über die Transparenz und Nachhaltigkeit der EU-Risikobewertung im Lebensmittelsektor vorgestellt. Die neuen Regeln betreffen vor allem das allgemeine Lebensmittelrecht, aber beispielsweise auch die Änderung der Verordnungen über Lebensmittelzusatzstoffe, Aromen, Kontaktmaterialien, neuartige Lebensmittel oder Pflanzenschutzmittel.
Vordergründig geht es darum, dass Unternehmen alle Studien veröffentlichen müssen, die für die Neu- oder Wiederzulassung von Lebensmitteln erstellt werden. Diese Studien müssen bereits bei Antragstellung veröffentlicht werden. Betriebsgeheimnisse – soweit sie nicht die Gesundheit betreffen – werden geschützt. Alle von der Industrie in Auftrag gegebene Studien müssen in ein Unionsregister eingetragen werden. Damit kommt die Europäische Kommission der Forderung nach mehr Transparenz nach, da nun unabhängige Wissenschaftlicher die Daten prüfen können und auch die Öffentlichkeit Zugang dazu hat.
EP-Position: Der Ausschuss für Lebensmittelsicherheit hat sich in seiner Abstimmung dafür ausgesprochen, die Vorschläge der Europäischen Kommission zu unterstützen. Darüber hinaus haben die Abgeordneten beschlossen, dass auch Studien im Unionsregister erfasst werden müssen, die außerhalb der EU angefertigt oder für einen Antrag auf Wiederzulassung eingereicht werden. Damit wird verhindert, dass unliebsame Studien in der Schublade verschwinden. Die Liste der Kriterien, was als vertrauliche Daten zu betrachten ist, soll nicht beliebig ausgedehnt werden können.
SPD-Position: Die Forderungen nach mehr Transparenz und einer erschöpfenden Liste der vertraulichen Informationen wurden unter Führung der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten von einer progressiven Mehrheit durchgesetzt und durch die Europa-SPD voll unterstützt. Die Konservativen versuchten, vorwiegend die Interessen der Industrie zu schützen und diese neuen Transparenzregeln einzuschränken.
Ausblick: Bei der Abstimmung im Plenum kommt es darauf an, die im Ausschuss erzielten Errungenschaften zu verteidigen, um eine zukunftsweisende Novelle des Lebensmittelrechts durchzusetzen. Nach der Abstimmung werden Trilogverhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament, dem Ministerrat und der EU-Kommission beginnen, mit dem Ziel, die Verordnung im 1. Halbjahr 2019 in Kraft treten zu lassen.
Sacharow-Preis geht an ukrainischen Filmregisseur Oleg Senzow – Preisverleihung am Mittwoch, 12.12.2018, 11.30 Uhr bis 12.00 Uhr
Hintergrund: Seit 1988 zeichnet das Europäische Parlament mit dem „Sacharow-Preis für geistige Freiheit“ Personen und Organisationen aus, die sich weltweit in besonderer Weise für die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten einsetzen. Auf diese Weise macht das Parlament auf Verstöße gegen Menschenrechte aufmerksam und unterstützt die jeweiligen Preisträger und ihre Anliegen. Dieses Jahr geht der mit 50.000 Euro dotierte Preis an den ukrainischen Filmregisseur Oleg Senzow. Senzow wurde im Mai 2014 auf der Krim verhaftet und zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilt. Ihm wird vorgeworfen, an der Planung terroristischer Handlungen gegen das auf der Krim faktisch herrschende Regime Russlands beteiligt gewesen zu sein. Oleg Senzow selbst bestreitet diese Vorwürfe und berichtet von Folter während seinen Vernehmungen. Eine rechtmäßige konsularische Betreuung durch ukrainische Stellen wird ihm mit der Begründung verweigert, dass er mit der Eingliederung der Krim in die Russische Föderation seine ukrainische Staatsangehörigkeit automatisch verloren habe. Seine Verurteilung steht inzwischen sinnbildlich für das Schicksal von etwa 70 Staatsbürgern der Ukraine, die nach der Annexion der Halbinsel Krim von der russischen Besatzungsmacht unrechtmäßig verhaftet und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Neben der Preisvergabe an Senzow als Ausdruck der Solidarität mit den ukrainischen Bürgerinnen und Bürgern auf der Krim verabschiedete das EU-Parlament am 14. Juni 2018 bereits eine Entschließung zu Russland, in der es Russland auffordert, Oleg Senzow und alle anderen unrechtmäßig in Russland und auf der Halbinsel Krim inhaftierten ukrainischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sofort und bedingungslos freizulassen.
EP- und SPD-Position: Mit der Preisvergabe an Oleg Senzow sendet das EU-Parlament eine klare Botschaft an die russische Regierung: Der Krim-Krieg und das Leid der ukrainischen Bürgerinnen und Bürger sind nicht vergessen. Die Auszeichnung Senzows ist eine Solidaritätsbekundung mit den Kritikerinnen und Kritikern des auf der Krim agierenden russischen Regimes, die ihren Einsatz für Demokratie und Menschenrechte mit Schikanen und Haft bezahlen.